EZB nach Milliardenflut in Lauerstellung

Frankfurt/Main (dpa) - Nach der jüngsten Milliardenflut für die Banken halten sich Europas Währungshüter mit weiteren Krisenmaßnahmen vorerst zurück. „Wir sehen viele Anzeichen dafür, dass das Vertrauen in den Euroraum zurückkehrt“.

Das sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, am Donnerstag in Frankfurt. Trotz der schwelenden Griechenlandkrise ließen die Spannungen im Finanzsystem spürbar nach, für die Konjunktur deute sich weiterhin eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau an.

Dennoch steuert der Euroraum nach Einschätzung der Notenbank im laufenden Jahr auf eine leichte Rezession zu. Nach einem schwachen vierten Quartal 2011 senkten die Währungshüter ihre Wachstumsprognose. Für 2012 wird nun erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,1 (Spanne: minus 0,5 bis plus 0,3) Prozent sinken wird. Für 2013 sagen die Experten ein Plus von 1,1 (0,0 bis 2,2) Prozent voraus.

Die Inflation indes erwartet die EZB unter anderem wegen steigender Energiepreise in diesem Jahr über ihrer Zielmarke von 2,0 Prozent bei 2,4 (2,1 bis 2,7) Prozent. 2013 sollte Entspannung an der Preisfront bringen mit einem Wert von 1,6 (0,9 bis 2,3) Prozent.

Zu seinen Erwartungen an den griechischen Schuldenschnitt wollte sich Draghi nicht äußern. Der EZB-Rat beschloss allerdings, griechische Anleihen wieder als Sicherheit für Kredite zu akzeptieren.

Während der Ausgang des Forderungsverzichts der privaten Hellas-Gläubiger Europa in Atem hält und die Staatsschuldenkrise weiter brodelt, hielt die EZB die Zinsen im Euroraum wie erwartet auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent. Gegen weitere Zinssenkungen spricht auch der jüngste kräftige Ölpreisanstieg. Dieser verhinderte, dass die Inflationsrate den erwarteten Rückzug antreten konnte: Stattdessen kletterte die Euro-Teuerung im Februar auf 2,7 Prozent. Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und können so das Wachstum anschieben. Allerdings befeuern sie zugleich die Inflation.

In der vergangenen Woche hatte die EZB den Geschäftsbanken fast 530 Milliarden Euro extrem billiges Geld für den außergewöhnlich langen Zeitraum von bis zu drei Jahren geliehen. Da sich auch viele kleine Institute Zentralbankgeld besorgten, sind die Mittel nach Draghis Einschätzung nun näher an den für die Wirtschaft wichtigen mittelständischen Unternehmen.

Die „gewaltige Wirkung“ dieser Sondermaßnahme müsse nun genau untersucht werden, sagte Draghi. Die Geldspritze soll das Vertrauen der Banken untereinander stärken und eine Kreditklemme verhindern. Nach der ersten derartigen Liquiditätsspitze im Dezember hatte sich die Lage an den Anleihemärkten und Börsen deutlich entspannt.

Draghi bestritt, dass die Bundesbank, die sich über zunehmende Ungleichgewichte im Eurosystem sorgt, im EZB-Rat isoliert sei: „Es gibt kein Deutschland gegen den Rest, es gibt kein Bundesbank gegen alle anderen.“ Die Geldpolitik müsse mit einer Stimme sprechen: „Wir sitzen alle in einem Boot. Wir müssen die richtigen Dinge tun - und wir müssen sie gemeinsam tun“, sagte der Italiener.

Sollte sich die Staatsschuldenkrise wieder zuspitzen und beispielsweise Athen in die ungeordnete Insolvenz rutschen, dürfte die EZB ihrer Rolle als Schnelleinsatzgruppe wieder gerecht werden, vermuten Volkswirte. „Sie steht auch weiterhin Gewehr bei Fuß, wenn es gilt, dem Risiko neuer Finanzmarktspannungen kraftvoll entgegenzutreten“, ist etwa Unicredit-Ökonom Marco Valli überzeugt.

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