Frauenquote: EU-Kommission fordert Bundesregierung heraus

Brüssel/Berlin (dpa) - Brüssel kontra Berlin: Die EU-Kommission setzt auf eine europaweite Frauenquote - die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) strikt abgelehnt wird. Bis 2020 sollen börsennotierte Unternehmen in der EU ihre Aufsichtsratsposten zu 40 Prozent mit Frauen besetzen.

Diesen Gesetzesvorschlag präsentierte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel. Es ist ein politisches Ziel - Strafen drohen Unternehmen nicht zwangsläufig. Wird ein Aufsichtsratsposten neu besetzt, müssten rund 5000 betroffene Firmen bei gleicher Qualifikation eine Kandidatin bevorzugen. Sanktionen wie etwa Geldbußen drohen dann, wenn Unternehmen kein „faires und geschlechtsneutrales“ Auswahlverfahren nutzen. Dies könnte mit Inkrafttreten des Gesetzes gelten, laut EU-Kommission also 2016. Für Vorstandsposten gibt es keine Vorgaben.

Das EU-Gesetz würde Deutschland, wo derzeit nur 15,6 Prozent der Aufsichtsräte weiblich sind, zum Handeln drängen. „Wir sind der Meinung, dass das auf nationaler Ebene geregelt werden muss“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Rechtsgrundlage des EU-Beschlusses sei zweifelhaft. Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) betonte, Brüssel habe keine Zuständigkeit: „Die nationale Gesetzgebung muss Vorrang haben vor Brüsseler Vorschriften.“

Deutschland kann den Vorschlag gemeinsam mit anderen EU-Staaten noch verhindern. Denn neben dem Europaparlament müssen die EU-Regierungen im Ministerrat zustimmen. Neun Länder unter Führung von Großbritannien drohen damit, dort das Gesetz zu blockieren.

Nach erbittertem Widerstand auch aus den eigenen Reihen hatte EU-Justizkommissarin Viviane Reding ihren Entwurf wesentlich abgeschwächt. Staaten und Unternehmen behalten viele Spielräume: So können die Regierungen eigene, von Brüssel als erfolgversprechend eingestufte Programme beibehalten, um Frauen in Chefetagen zu bringen. Das könnten laut EU-Experten auch Selbstverpflichtungen der Unternehmen sein. Nur wenn es keine merklichen Fortschritte gibt, würde die EU am Ende die eigenen Regeln für die Kandidatenwahl durchsetzen.

Jeder Staat kann wirksame Sanktionen nach eigenem Ermessen verhängen. Es sind keine Strafen vorgeschrieben, solange ein Unternehmen sich an die Regeln zum Auswahlprozess hält, aber trotzdem bis 2020 nicht 40 Prozent-Frauenanteil im Aufsichtsrat erreicht. EU-Kommissarin Neelie Kroes, die als Gegnerin der Quote gilt, schrieb daher: „Der Vorschlag würde keine bindende EU-Quote festsetzen, die für jedes Land gilt, aber er setzt ein klares politisches Ziel.“

Zudem enthält der Vorschlag nur noch Bußgelder und die Möglichkeit, die Postenbesetzung nach juristischer Prüfung zu annullieren. Gestrichen wurde die Option, dass Unternehmen bei Verstößen keine staatlichen Gelder mehr erhalten oder von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Laut Gesetzentwurf soll für Firmen mit staatlicher Beteiligung die Quote bereits 2018 gelten. Familienunternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und weniger als 50 Millionen Euro Umsatz sind ausgenommen.

Monatelang hatte Reding für die umstrittene Frauenquote gekämpft. Die EU-Kommissarin sprach am Mittwoch von einem „historischen Tag“ und sagte: „Dieser Vorschlag wird die gläserne Decke durchbrechen, die talentierte Frauen davon abhält, in Top-Jobs zu kommen.“ Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter meldete Reding in allen 23 EU-Amtssprachen: „Geschafft.“

Nicht nur in der deutschen Politik, auch in der Wirtschaft gibt es Widerstände. Viele Unternehmen befürchten starre Vorgaben und Geldbußen. HypoVereinsbank-Chef Theodor Weimer sagte in München: „Wir brauchen keine zentralen Vorgaben.“

Die Auswirkungen der EU-Pläne sind umstritten. Juristen gehen davon aus, dass Unternehmen aus Sorge vor Klagen umdenken werden. „Dies wird bei Unternehmen, die noch keine interne Quote haben, dazu führen, dass sie sich auch Gedanken machen: Wie können wir dieses Ziel umsetzen?“, sagte Karsten Kujath, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Frankfurter Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen der Nachrichtenagentur dpa.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte dagegen in einem Gespräch mit der „WAZ“-Gruppe, die EU-Regeln würden nur dazu führen, „dass sich Gerichte mit vielen Bewerbungen beschäftigen müssen“.

Positive Reaktionen kamen von der SPD. Von einem „großen Tag für Europas Frauen“ sprach die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig. Der Vorstoß sei wirtschaftlich sinnvoll und gerecht.

Das Managerinnen-Netzwerk FIM bedauerte Schwächen des Vorschlags. „Aber es ist sehr wichtig, dass wir die jetzige Richtlinie verabschiedet bekommen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte die FIM-Vorstandsvorsitzende Bärbel Jacob der dpa.

Laut Kommission sind derzeit europaweit nur 13,7 Prozent der Mitglieder in den Führungsgremien Frauen. In Deutschland sind demnach 15,6 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt, in den mächtigeren Vorständen gar nur 4,2 Prozent.

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