Generalstreik legt Spanien teilweise lahm - Urlauber kaum betroffen

Madrid (dpa) - Stillstand in den Fabriken, reges Treiben in Kneipen und Geschäften: Ein Generalstreik hat in Spanien die Wirtschaft nur teilweise lahmgelegt. In mehreren Bereichen wurde trotz eines Aufrufs der Gewerkschaften zu einer 24-stündigen Arbeitsniederlegung fast normal gearbeitet.

Während in Autowerken und Industriebetrieben die Produktion teilweise zum Stillstand kam, waren die meisten Supermärkte, Banken und Restaurants wie an einem normalen Werktag geöffnet. Spanien-Urlauber waren von dem Ausstand nur wenig betroffen.

Die großen Gewerkschaften CCOO (Arbeiterkommissionen) und UGT (Allgemeine Arbeiter-Union) bezeichneten den Streit als einen Erfolg und drohten indirekt mit neuen Arbeitsniederlegungen. Wenn die Regierung bis zum 1. Mai nicht ihre Bereitschaft zu Verhandlungen signalisiere, werde der Konflikt sich noch verschärfen, betonten die Gewerkschaftsführer Ignacio Fernandéz Toxó und Cándido Méndez. Sie bezifferten die Streik-Beteiligung auf 77 Prozent der Beschäftigten.

Dagegen teilte die Regierung mit, die Beteiligung sei „deutlich geringer“ gewesen als beim vorigen Generalstreik im September 2010. Arbeitsministerin Fátima Báñez sagte, Madrid sei zu Gesprächen bereit, aber die umstrittene Arbeitsmarktreform werde im Kern nicht angetastet. Die Gewerkschaften wollten mit dem Streik erreichen, dass die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy Änderungen an der Reform vornimmt, die den Unternehmen die Entlassung von Mitarbeitern erleichtert und die Abfindungssummen gesenkt hat.

Die konservative Regierung kündigte an, sie werde von ihrer Sparpolitik „keinen Deut“ abweichen. An diesem Freitag will das Kabinett den Budgetentwurf für 2012 verabschieden, der Einsparungen in Rekordhöhe vorsehen wird. Die Euro-Partner blickten gespannt auf die Entwicklung in Spanien, nachdem das Land sein Defizitziel 2011 klar verfehlt hatte und in der Schuldenkrise wieder zu einem Sorgenkind geworden war.

Auf den spanischen Flughäfen waren Dutzende Verbindungen gestrichen worden, darunter mehrere Flüge zwischen Spanien Deutschland, ansonsten herrschte weitgehend normaler Betrieb. Von den 3400 vorgesehenen Flügen war etwa die Hälfte dadurch geschützt, dass sie unter die - mit den Gewerkschaften vereinbarten - Mindestversorgung fielen. Nach Angaben der Flughafenbehörde AENA wurden bis zum Mittag gut 400 Flüge abgesagt. Auf Mallorca wurden zunächst 23 Verbindungen gestrichen. Die Online-Zeitung „mallorcamagazin.com“ berichtete, auf Mallorca konnten bis zum Mittag die Urlauberjets weitgehend problemlos starten und landen.

Der Reiseveranstalter Thomas Cook spürte nach eigenen Angaben keine Auswirkungen des Generalstreiks. Es gebe nur geringfügige Verspätungen, sagte ein Unternehmenssprecher. Allerdings sei der Touristenstrom vor den Osterferien auch noch nicht so groß. Auch bei TUI hieß es, für Urlauber habe der Ausstand kaum Auswirkungen, weil die Fluglotsen nicht mitstreikten. Bei der Eisenbahn, bei U-Bahnen und Buslinien wurden ebenso wie im Flugverkehr Mindestdienste aufrechterhalten.

In den ersten Stunden des Generalstreiks ereignete sich eine Reihe von Zwischenfällen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Streikposten wurden nach Angaben des Innenministeriums neun Menschen verletzt, darunter sechs Beamte. Die Polizei registrierte am Morgen landesweit 58 Festnahmen. In Barcelona errichteten Streikende Barrikaden auf mehreren Zufahrtsstraßen und setzten Autoreifen in Brand. Im Zentrum kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Randalierern und der Polizei.

Für die Gewerkschaften ging es bei dem Streit nicht nur um einen Protest gegen die Arbeitsmarktreform, sondern auch um die eigene Zukunft. Die Arbeitnehmerorganisationen befürchten, dass die Konservativen nach ihrem überwältigenden Wahlsieg im November 2011 zum großen Schlag gegen die Gewerkschaften und die Rechte der Arbeiter ausholen könnten - ähnlich wie Premierministerin Margaret Thatcher dies in den 80er Jahren in Großbritannien getan hatte.

In Spanien hatten seit dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975) bislang fünf ganztägige Generalstreiks stattgefunden. Nur beim Streik 1988 gelang es den Gewerkschaften, die Wirtschaft fast komplett zum Stillstand zu bringen. Bei den Ausständen 1985, 1994, 2002 und 2010 dagegen wurden die Streikaufrufe der Gewerkschaften nur in einzelnen Branchen befolgt.

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