Hochtief vor radikalem Führungswechsel

Essen/Madrid (dpa) - Auf Druck des spanischen Großaktionärs ACS steht der Essener Baukonzern Hochtief überraschend vor einem radikalen Führungswechsel. Vorstandschef Frank Stieler, der noch nicht einmal anderthalb Jahre im Amt ist, solle „einvernehmlich“ aus dem Vorstand ausscheiden.

Das teilte das vom spanischen ACS-Konzern kontrollierte Unternehmen am frühen Samstagmorgen mit. Nachfolger solle das spanische Vorstandsmitglied Marcelino Fernandez Verdes werden.

Außerdem plane auch Aufsichtsratschef Manfred Wennemer sein Mandat zum Jahresende „aus persönlichen Gründen“ niederzulegen. Der frühere Conti-Chef führt das Kontrollgremium bei Hochtief erst seit Mai 2011.

Hintergrund der Wechsel an der Spitze soll ein Streit der Hochtief-Manager mit ACS über den künftigen Kurs des Unternehmens sein, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus Unternehmenskreisen. ACS brauche dringend Geld und wolle Hochtief zerschlagen, hieß es aus den Kreisen. Hochtief hat derzeit weltweit rund 82 000 Beschäftigte, davon etwa 10 000 in Deutschland.

In der Mitteilung hieß es, es liefen Gespräche darüber, dass Verdes neuer Hochtief-Chef wird. Die Entscheidung über die Personalien werde voraussichtlich in einer Aufsichtsratssitzung am Dienstag (20.11.) fallen. Ein Firmensprecher wollte sich zu Spekulationen über die Hintergründe nicht äußern. Im Unternehmen verbreite sich Sorge um die Zukunft, hieß es aus Kreisen.

Auch der Europachef des Unternehmens, Rainer Eichholz, will aus persönlichen Gründen kurzfristig sein Mandat niederlegen, wie ein Sprecher mitteilte. Dies habe aber nichts mit den Veränderungen im Konzernvorstand zu tun.

Der spanische Konzern war im vergangenen Jahr nach einer Übernahmeschlacht bei Hochtief eingestiegen und hatte dafür nach Schätzungen schrittweise über Aktienkäufe zwischen 1,9 und 2,6 Milliarden Euro bezahlt. Laut Börsenkreisen soll der Anteil aber aktuell nur noch rund die Hälfte wert sein. Die Übernahmeschlacht lief monatelang mit harten Bandagen. „ACS-No“-Schilder hingen damals in vielen Fenstern der Zentrale in der Essener Innenstadt.

Aktuell kontrolliert ACS 54,3 Prozent der Hochtief-Anteile und hat angekündigt, weiter aufstocken zu wollen. Der spanische Baukonzern ist hoch verschuldet und hatte allein in den ersten neun Monaten einen Verlust von rund 1,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. ACS stehe selbst mit dem Rücken zur Wand, hieß es aus den Kreisen. Hochtief hatte dagegen nach einem Verlust von rund 160 Millionen Euro 2011 im dritten Quartal dieses Jahres wieder schwarze Zahlen geschrieben und strebt für das Gesamtjahr einen Gewinn von knapp unter 180 Millionen Euro an.

Der vermutliche neue Hochtief-Chef Verdes, ein langjähriger ACS-Manager, ist erst seit April 2012 im Vorstand des Baukonzerns und bislang verantwortlich für das Amerika-Geschäft. Wennemer hatte Verdes gute Kontakte zu ACS-Chef Florentino Pérez bescheinigt. Der neue Mann im Hochtief-Vorstand könne für eine „bessere Kooperation zwischen ACS und Hochtief“ sorgen, hatte Wennemer in einem Zeitungsinterview gesagt. Von einer Machtübernahme durch den neuen Großaktionär wollte der Aufsichtsratschef dagegen in dem Interview nichts wissen.

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