IWF warnt vor neuer Weltrezession

Washington (dpa) - Weit und breit keine Spur von Aufschwung: Die Weltwirtschaft dümpelt blutleer dahin, die Eurozone schrumpft sogar, aber immerhin ragt Deutschland mit seinem Mini-Plus noch heraus.

Die Schuldenkrise hat dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine kräftige Abwärtskorrektur seiner Konjunkturprognosen eingebrockt. Und es könnte laut IWF-Chefökonom Olivier Blanchard noch schlimmer kommen - wenn Europas Politik nicht entschlossen handelt.

Der Fonds stutzte seine Vorhersage für die deutsche Wirtschaft gar um einen satten Prozentpunkt. Gerade einmal 0,3 Prozent Wachstum sind dieses Jahr zu erwarten, nachdem die Eurozone Ende vorigen Jahres „in eine gefährlich Phase eingetreten ist“. Doch 2013 soll es schon wieder um 1,5 Prozent nach oben gehen - wenn alles gutgeht.

Denn sollte sich das Drama in der Eurozone zuspitzen, „könnte die Welt in eine neuerliche Rezession gestürzt werden“, warnte Blanchard bei der Vorlage des jüngsten IWF-Weltwirtschaftsausblicks am Dienstag in Washington. „Das Epizentrum der Gefahr ist Europa, aber der Rest der Welt wird zunehmend davon erfasst“, meinte er. „Wir haben einen langen Weg vor uns, bis die Weltwirtschaft sich voll erholt hat.“

Der Welt sagt der IWF 2012 ein Plus von nur noch 3,3 Prozent voraus, kommendes Jahr immerhin 3,9 Prozent. Noch im September waren für 2012 global gesunde 4 Prozent erwartet worden. Düster sind hingegen die Aussichten für die schwer gebeutelte Eurozone: Dort soll die Wirtschaft 2012 um 0,5 Prozent schrumpfen. Im Jahr darauf sei dann ein mageres Plus von gerade 0,8 Prozent zu erwarten.

Selbst aufstrebende Wirtschaftsgiganten wie China, Brasilien oder Indien - sonst von sattem Wachstum verwöhnt - müssen dem Bericht zufolge Federn lassen. Ein Plus von 5,4 Prozent in diesem und 5,9 Prozent im nächsten Jahr sieht die Prognose. Das ist jeweils gut ein halber Punkt weniger als zunächst gedacht.

Doch es ist nicht aller Tage Abend, meinen Blanchard und sein Team von IWF-Experten. Greift die Politik zu den richtigen Gegenmitteln, und zwar hurtig, „kann das Schlimmste auf jeden Fall vermieden werden und die Wirtschaftserholung wieder in die Spur kommen“.

Ganz vorne unter den Empfehlungen: verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen. Die Staatsfinanzen sollen weiterhin in Ordnung gebracht werden - aber mit Augenmaß, mahnt der Fonds. „Zu wenig schadet der Glaubwürdigkeit. Zu viel beschädigt das Wachstum“, sagt IWF-Ökonom Carlo Cottarelli. „Eine übermäßige Straffung ist das größte konkrete Risiko, auf beiden Seiten des Atlantiks.“

Zwar habe sich die Lage auf den globalen Finanzmärkten in den vergangenen Wochen etwas entspannt, meinte der Chef der IWF-Kapitalmarktabteilung, José Viñals. Grund zur Entwarnung sieht er nicht. „Das Weltfinanzsystem ist weiter in der Gefahrenzone.“

Größte Baustelle bleibt die Eurozone. Einen Euro-Rettungsschirm ESM mit einem Umfang von 500 Milliarden Euro hält Viñals für nicht ausreichend. Erst am Montag hatte IWF-Chefin Christine Lagarde dafür plädiert, den ESM deutlich auszuweiten und die Mittel des im Sommer auslaufenden EFSF seinem Nachfolger zur Verfügung zu stellen. „Das würde erheblich helfen“, befindet der IWF in dem Bericht.

Damit nicht genug: „Eine zusätzliche und zeitnahe Lockerung durch die (Europäische Zentralbank) EZB wird wichtig sein“, rät der Fonds zudem. Außerdem sollte diese weiterhin „voll engagiert“ in Anleihekäufe sein, um Liquidität vorzuhalten und das Vertrauen in die Einheitswährung zu stärken. Was bisher geschehen ist im Kampf gegen die Krise, seien wichtige Schritte, sagte Viñals. Nun müssten die einzelnen Teile zu einer umfassenden Strategie zusammengefügt werden. „Und das muss mit höchster Dringlichkeit geschehen“, mahnte er.

Auch auf der Wunschliste des Fonds: wo nötig neuerliche Kapitalspritzen für Banken der Eurozone - durchaus auch aus öffentlichen Quellen. Es müsse außerdem dafür gesorgt werden, dass die Geldinstitute nicht „übermäßig schnell“ ihren Schuldenabbau vorantrieben, weil sie so eine „verheerende Kreditklemme“ heraufbeschwören könnten, warnen die IWF-Experten.

Unter den Industrieländern sticht indes die US-Wirtschaft heraus, die allmählich wieder Puls zeigt: 1,8 Prozent Wachstum in diesem und 2,2 Prozent im nächsten Jahr prognostiziert der Fonds dort. Doch hebt der IWF auch mahnend den Zeigefinger gen Washington: Besondere Sorge bereite, dass „politische Lähmung“ zu einem vorschnellen Ende der konjunkturstützenden Maßnahmen führen könnte. Angesichts des Wahlkampfes, der immer schneller Fahrt aufnimmt, ist das Risiko groß.

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