Kartellamt geht wegen zu hoher Gaspreise gegen Versorger vor

Gegen rund 35 Gasversorger, darunter auch mehrere Stadtwerke, sind Missbrauchsverfahren eingeleitet worden.

Bonn. Das Bundeskartellamt geht auf breiter Front gegen möglicherweise unrechtmäßig hohe Gaspreise vor. Gegen rund 35 Gasversorger, darunter auch mehrere Stadtwerke, seien wegen des Verdachts überhöhter Gaspreise für Haushalts- und Gewerbekunden Missbrauchsverfahren eingeleitet worden, teilte das Kartellamt am Mittwoch in Bonn mit. Betroffen seien Unternehmen aus allen Regionen Deutschlands, städtische und ländliche Versorger, eigenständige Stadtwerke sowie Versorger, die Beteiligungsunternehmen der vier großen Verbundunternehmen (E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall) sind.

Eine bundesweite Untersuchung der Gaspreise habe gezeigt, dass teilweise erhebliche Abweichungen von 25 bis 45 Prozent und mehr zwischen den Unternehmen bestünden, berichtete das Kartellamt. Das Ergebnis zeige, dass der Wettbewerb bei der Belieferung mit Gas „immer noch erschreckend gering“ sei, sagte Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer. „Nach derzeitigen Erkenntnissen erheben eine Reihe von Unternehmen Gaspreise in einer Höhe, die sie bei funktionierendem Wettbewerb nicht fordern könnten.“

Das Kartellamt agiert erstmals nach dem novellierten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das Anfang des Jahres in Kraft trat. Es ermöglicht eine verschärfte Missbrauchsaufsicht. Die Behörde hat bei dem Vergleich der Gaspreise die genehmigten Netzentgelte sowie die Steuern und Konzessionsabgaben abgezogen. Dies lasse den betroffenen Unternehmen voraussichtlich kaum Raum, sich durch Besonderheiten in ihrem Liefergebiet zu rechtfertigen.

Steuern und Abgaben machen laut Kartellamt durchschnittlich einen Anteil von 29 Prozent am Bruttopreis aus, die Netzentgelte beliefen sich auf 16 Prozent. Die vom Kartellamt untersuchten Preisbestandteile machten daher gut 55 Prozent des Brutto-Gaspreises aus, den der Bürger auf seiner Rechnung hat. Selbst dort, wo die Netzentgelte niedrig seien, werde dieser Kostenvorteil „oftmals nicht an die Kunden weitergegeben, sondern offensichtlich durch eine Erhöhung auf einer anderen Ebene der Wertschöpfungskette wieder kompensiert“, sagte Heitzer.

Der Erdgasabsatz in Deutschland an Haushalte und Gewerbe betrug nach Angaben des Kartellamts im Jahr 2006 rund 480 Milliarden Kilowattstunden. Die Gasversorger erzielten einen Umsatz in Höhe von 17,28 Milliarden Euro. Die Missbrauchsverfahren betreffen mit etwa vier Millionen Kunden und einem Absatzvolumen von geschätzt etwa 100 Milliarden Kilowattstunden knapp 20 Prozent des Marktes.

Von den etwa 770 Gasversorgern in Deutschland fallen nur knapp 30 Unternehmen mit länderübergreifender Grundversorgung in die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes. Für die übrigen sind die jeweiligen Landeskartellbehörden zuständig. Einige dieser Behörden haben laut Bundeskartellamt bereits Verfahren eingeleitet. Zudem hätten viele Landeskartellbehörden auf Antrag des Bundeskartellamtes einige Gasversorger mit hohen Gaspreisen aus ihrem Zuständigkeitsbereich an das Bundeskartellamt abgegeben oder beabsichtigten, dies zu tun. Deshalb sei die genaue Zahl der Missbrauchsverfahren beim Bundeskartellamt noch unklar.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort