Mit „Klein evo“ auf Nachtschicht

Sie arbeiten, wenn andere schlafen. Die Drucker der WZ sorgen mit erfahrenem Blick, hoher Konzentration und bisweilen buntverschmierten Overalls für die Zeitung auf dem Frühstückstisch.

Dienstag, 21.30 Uhr, Spätschicht. Mit der Arbeit zu beginnen, wenn andere fast schon ins Bett gehen, ist für den Solinger André Cronauge Alltag. "So habe ich mehr von meiner Familie." Wenn die Schicht gegen 6 Uhr zu Ende geht, holt der 31-Jährige für sich und seine Familie Brötchen. "Zu Hause wird erst einmal gemeinsam gefrühstückt."

21.30 Uhr - Schichtbeginn in der Druckerei

Cronauge betritt die Druckmaschinenhalle in Wuppertal. Der gut fünfzehn Meter hohe und etwa 100 Meter lange Raum wirkt gewaltig. Mit der riesigen Fensterfront fast sakral. Kernstück des ungeheuren Raums sind die Druckmaschinen. Der Lärm ist ohrenbeäubend. Zumindest für Neulinge. Der Druckermeister selbst hat speziell angefertigte Ohrenschützer. Mit geschulter Stimme brüllen sich Cronauge und seine Kollegen eine Begrüßung zu. Vergleichsweise leise seien die Maschinen, sagt er. Knapp unter 95 Dezibel.

Der Druckereimeister bespricht mit seinen Schichtkollegen, zwei Druckern und drei Helfern, den so genannten Produktionsspiegel, also die Zusammenstellung der einzelnen Ressorts der Westdeutschen Zeitung, die sie drucken werden - die Seitenzahl, Druckauflage, Farbe, Sonderfarben für die aktuelle Ausgabe.

Reine Routine? Weit entfernt. Besonders die vergangenen Wochen waren für sie alles andere als Alltag. Der Grund dafür steht mitten in der Halle und hört auf den Namen "Evolution 473". "Klein evo", sagt Cronauge augenzwinkernd. "Klein evo" ist die neueste Anschaffung des Girardet-Verlags - und die mit den derzeit größten Möglichkeiten. "Der Ablauf unserer Schicht hat sich durch sie enorm verändert - sie erleichtert uns einen Teil der Arbeit. "

Leichthändig hängt er eine Druckplatte in den Plattenzylinderkanal ein. "Bei den älteren Maschinen müssen wir noch mit Werkzeug die Platten am Plattenzylinder befestigen." Auch den Wechsel der Zeitungsrollen, jede einzelne immerhin rund 1,2 Tonnen schwer und mit Papier für 22 000 Zeitungen, können zwei Personen bei "Klein evo" Dank einer Einzugskette alleine machen. "Bislang war das immer eine Alle-Mann-Aktion".

Innerhalb weniger Minuten ist die Maschine hochgefahren. Maximal kann die neue Maschine eine 32-seitige Ausgabe der Westdeutschen Zeitung mit voller Vierfarbigkeit drucken. Davon dann aber auch gleich bis zu 50 000 in der Stunde.

23 Uhr - jetzt beginnt für die Drucker die "heiße Phase"

Jetzt beginnt für Cronauge die heiße Phase. Konzentriert blickt er auf den Leitstandmonitor und kontrolliert seine Maschineneinstellung. Gegen 23 Uhr sind die letzten Druckplatten belichtet. "Das ist die spannendste Zeit. Die Maschine fährt an und der Drucker muss aufpassen, dass das Produkt schnellstens den Qualitätsansprüchen der WZ entspricht." Jetzt dreht sich alles um die Makuzahlen - das ist Druckerdeutsch. Die Drucker versuchen, so wenig Makulatur - qualitativ schlechte Zeitungen, die weggeworfen werden müssen - zu produzieren wie möglich, aber gleichzeitig auch so viele wie nötig. "Die Zeitung soll gut aussehen. Da lassen wir lieber mal eine mehr durchlaufen, als ein Produkt zu haben, hinter dem wir nicht stehen können."

Es muss flott gehen. In weniger als zwei Minuten hat "Klein evo" 1000 Zeitungen gedruckt. Da entsteht schnell eine Menge Makulatur. Cronauge hat mit der Verantwortung kein Problem. "Für Fehler auf der Seite entwickelt man einen Blick." Er muss schnell sein, weil der Druck der Zeitungen nur ein Teil in einer ganzen Kette ist. "Wenn ich ein Problem habe, landen die Zeitungen später im Versand und schließlich nicht pünktlich bei den Abonnenten."

Und wie leicht sind schon mal 20 Minuten weg - etwa weil in der Andruckphase das Papier reißt. "Das Farbwerk vom Papier befreien - da sieht man anschließend nicht nur schön bunt aus, man braucht auch einfach Zeit."

Am schönsten ist für Cronauge die Arbeit immer, wenn aktuelle Ereignisse anstehen. "In der Rotation haben wir kein Radio - die Ergebnisse während der WM im vergangenen Jahr habe ich auf den Druckplatten gelesen."

2 Uhr morgens - und nur Zeit für eine Stulle

Die Wuppertaler Ausgabe ist durchgelaufen. In schnellem Wechsel folgt das Einrüsten auf die nächste Produktion. Ist noch Wasser, ausreichend Farbe in der Maschine? Zeit für eine Pause bleibt keine. "Wir richten uns nach dem Produkt - mehr Zeit als für eine Stulle bleibt nicht."

Offiziell ist Cronauges Schicht um 6 Uhr zu Ende. "Es gibt aber ein ehernes Druckergesetz: Gegangen wird erst, wenn die letzte Zeitung gedruckt ist." Dennoch. Meistens sitzt Cronauge eine Stunde später mit Frau und Kindern am Frühstückstisch - mit Brötchen - und druckfrischer Zeitung.

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