Mit Radikalkur aus der Krise

Iren und Portugiesen übertreffen die Sparvorgaben aus Brüssel. Aber dafür zahlen sie einen hohen Preis.

Brüssel. Der Euro-Wellengang ist hoch in Europa. Doch zwei Seefahrer-Nationen scheinen in diesem Sturm wieder den richtigen Kurs gefunden zu haben. Portugal und Irland, beide vom Rettungsschirm vor dem Untergang gerettet, haben sich gut entwickelt.

Portugal, mit 78 Milliarden Euro aus dem Schirm gerettet, gilt unter den Krisenstaaten als Musterschüler, der bei der Sanierung der maroden Staatsfinanzen große Erfolge feiert. Im vergangenen Jahr konnte Lissabon das Haushaltsdefizit von 9,8 (2010) auf 4,2 Prozent drücken. Die Vorgabe von 5,9 Prozent wurde klar unterboten.

Auch Irland liegt über Plan und bekommt von der Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds stets gute Noten. Das Defizit von 32 Prozent im Jahr 2010 — Rekord in der Eurozone — drückte die neue Regierung von Enda Kenny 2011 auf 9,4 Prozent. 10,6 Prozent hatte die Troika als Zielmarke ausgegeben.

Völlig unterschiedlich sind dagegen die Wege aus der Krise. Irland setzt weiterhin auf sein altes Geschäftsmodell, das das Land vor der großen Immobilien-, Banken- und Staatskrise zum „Keltischen Tiger“ gemacht hatte. Kenny konnte in Brüssel die extrem günstige Unternehmenssteuer von 12,5 Prozent retten. Damit siedeln weiter internationale Konzerne ihre Europazentralen in Irland an.

Dublin wird im laufenden Jahr ein kleines Wachstum von 0,5 Prozent einfahren. Nicht viel, aber es verhindert Schlimmeres. Premier Kenny geht davon aus, dass kein zweites Rettungspaket nötig sein wird. Im Gegenteil: Er will an seinem Ziel festhalten, spätestens 2013 wieder aus eigener Kraft an die Märkte zurückzukehren.

Auch die portugiesische Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho hat für das nächste Jahr ein ehrgeiziges Ziel: die Einhaltung der im Maastricht-Vertrag geforderten Drei-Prozent-Marke bei der Neuverschuldung.

Dazu sollen unter anderem die Beschleunigung des Privatisierungsprogramms, Reformen im Finanz- und Arbeitsmarktsektor, vor allem aber Kürzungen von Renten, Gehältern und des Arbeitslosengeldes sowie Steuererhöhungen beitragen.

Ein ehrgeiziges Projekt, denn die von den internationalen Geldgebern als „beachtlich“ gewürdigte Sanierung hat ihren Preis: Im Zuge der Sparmaßnahmen wird die Wirtschaft 2012 nach bereits über zehnjähriger Flaute um mindestens 3,4 Prozent schrumpfen. Viele Portugiesen verlassen zudem aus Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut das Land: Allein im vergangenen Jahr sind 150 000 Portugiesen ausgewandert.

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