Mitarbeiter legen ihr Gehalt fest — und das der Kollegen

Eine Managementberatung geht neue Wege in der Lohnpolitik — und hat nicht mehr Kosten als zuvor.

Hannover/Stuttgart. Für viele Arbeitnehmer bedeutet Selbstbestimmung im Beruf, flexible Arbeitszeiten zu haben oder sich die Topfpflanze für den Schreibtisch aussuchen zu dürfen. Das Unternehmen „Vollmer & Scheffczyk“ (V&S) mit Sitz in Hannover und Stuttgart geht einen großen Schritt weiter. In der Managementberatung legen alle Mitarbeiter selbst fest, wie viel sie verdienen und welches Urlaubspensum sie benötigen — von der Teilzeitkraft bis zum Chef.

Einzige Bedingung: Alle anderen Kollegen müssen einverstanden sein. Gleichzeitig sind die Unternehmenszahlen einsehbar, so dass jeder weiß, was sich die Firma überhaupt leisten kann.

Wer glaubt, die Personalkosten des Unternehmens seien seit Einführung des Systems vor zwei Jahren durch die Decke gegangen, der irrt. Benno Löffler, einer der drei V&S-Geschäftsführer, sagt: „Wir zahlen jetzt nicht mehr Gehälter als 2008, als wir noch ein Bonussystem hatten.“ Die Einkommen schwanken laut Löffler zwischen 28 000 und 160 000 Euro im Jahr.

Ein System, das die Bescheidenen benachteiligt? Der Geschäftsführer gibt zu: „Die Gefahr besteht.“ Er habe einem neuen Mitarbeiter im Bewerbungsgespräch schon einmal den Tipp gegeben, seine Gehaltsvorstellungen nach oben zu korrigieren.

Konflikte bleiben bei so viel Freiheit nicht aus. Ein Geschäftsführer versuchte einmal, seine Vergütung deutlich zu erhöhen. Das löste in der Firma eine tagelange Diskussion aus. „Bedenken angemeldet hat übrigens auch eine Kollegin, die erst drei Monate im Unternehmen war“, berichtet Benno Löffler. Am Ende stand aber eine Einigung. Warum die ungewöhnliche Idee zu funktionieren scheint? Der 42-jährige Chef hat eine Theorie: „In einem Umfeld vollständiger Transparenz ist es schwer, sich unanständig zu verhalten.“

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