OECD warnt vor konjunkturellen Abwärtsrisiken

Paris/London/Tokio (dpa) - Die europäische Schuldenkrise hat die Eurozone in eine neue Rezession gerissen. Sie bedroht nach Einschätzung der OECD auch die eigentlich hervorragenden Konjunkturaussichten für Deutschland.

Der Spar- und Reformprozess sei in den meisten Staaten gerade erst angelaufen und durch schwach wachsende oder gar sinkende Wirtschaftsleistungen geprägt, schreiben die Experten der Industriestaatenorganisation in ihrem jüngsten Konjunkturausblick. Vor diesem Hintergrund wachse die Gefahr eines Teufelskreises mit „schwerwiegenden Konsequenzen für die Weltwirtschaft“.

2012 dürfte die Euro-Wirtschaft nach OECD-Prognosen um 0,1 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr nur um 0,9 Prozent wachsen. Ohne die Konjunkturlokomotive Deutschland wäre der Ausblick noch einmal wesentlich düsterer ausgefallen, kommentierten OECD-Experten. Die Prognose fürs deutsche Wirtschaftswachstum liegt fürs kommende Jahr bei 2,0 Prozent und bei 1,2 Prozent im laufenden Jahr. In der Vorgänger-Studie lag der Wert für 2012 noch bei der Hälfte.

„Die deutsche Wirtschaft hat uns überrascht und ist bereits im ersten Quartal wieder kräftig gewachsen“, kommentierte OECD-Deutschland-Experte Andreas Wörgötter am Dienstag in Paris. „Die Auftragseingänge gehen nach oben, sogar der reale Einzelhandelsumsatz. Das produzierende Gewerbe wächst, der Arbeitsmarkt bleibt robust.“

Als kurzfristige Maßnahme zur Förderung des EU-weiten Wachstums schlägt die OECD ausdrücklich die Ausgabe gemeinsam abgesicherter Staatsanleihen vor, um die Rekapitalisierung des Bankensektors zu unterstützen und ein höheres Kreditangebot zu schaffen. Im Zuge der Weiterentwicklung des Euroraums könnten Eurobonds hilfreich sein, um das Vertrauen des privaten Sektors zu stärken, heißt es im neuen Konjunkturausblick weiter. Strenge Haushaltsdisziplin und eine erfolgreiche Konsolidierung seien aber die Rahmenbedingungen für solche zusätzliche Maßnahmen. Die Bundesregierung hat mehrfach betont, dass sie in der derzeitigen Situation Eurobonds nicht zustimmen würde.

„Es ist ganz wichtig, dass fundamental etwas an der Situation im Eurogebiet geändert wird. Wir bleiben in einer Hochrisikosituation im Eurogebiet und das hat gegebenenfalls auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft insgesamt“, betonte OECD-Ökonom Eckhard Wurzel. Als gefährlich wurde gewertet, dass die Wahlergebnisse in einer Reihe von Euroländern eine „zunehmende Reformmüdigkeit“ zeigten. Die Toleranz gegenüber Haushaltsanpassungen könne möglicherweise an ihre Grenzen stoßen, schreiben die Wirtschaftsforscher.

Zu den globalen konjunkturellen Highlights gehören neben Deutschland auch die USA und Japan, deren Wirtschaft dieses Jahr um 2,4 beziehungsweise 2,0 Prozent zulegen dürfte. Für 2013 werden die entsprechenden Zuwachsraten mit 2,6 beziehungsweise 1,5 Prozent angegeben. Wegen seiner horrenden Staatsverschuldung geriet Japan am Dienstag jedoch weiter unter Druck. Mit Fitch senkte erneut eine Ratingagentur die Kreditwürdigkeit der drittgrößten Industrienation der Welt. Die Bewertung wurde von bisher „AA-“ auf „A+“ reduziert und es droht sogar eine weitere Herabstufung.

Als Risikofaktoren für die Weltwirtschaft sehen die Autoren der Studie neben der Schuldenkrise den Ölpreis und das Wachstum in China. „Die von den Anstrengungen zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ausgehende Bremswirkung könnte erheblich sein, besonders in einigen Ländern“, mahnt Chef-Ökonom Pier Carlo Padoan. Verantwortlich dafür macht er „grundlegende wirtschaftliche, fiskalische und finanzielle Ungleichgewichte innerhalb des Euroraums“. Die Konjunkturerholung in den Ländern mit einer robusteren Verfassung wie Deutschland könne kaum das darniederliegende Wachstum in anderen Ländern ausgleichen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) forderte derweil das in die Rezession abgerutschte Großbritannien auf, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Überlegt werden müsse, frisches Geld in die britische Volkswirtschaft zu pumpen, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde in London. Auch Maßnahmen wie vorübergehende Steuersenkungen und niedrigere Zinsen könnten nötig sein, wird im IWF-Jahresbericht zum Vereinigten Königreich erklärt.

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