Sigmar Gabriels Rabattschlacht mit Brüssel

Preisnachlässe für die Industrie sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge.

Energieminister Sigmar Gabriel verhandelt mit EU-Kommissar Joaquín Almunia über Stromrabatte.

Energieminister Sigmar Gabriel verhandelt mit EU-Kommissar Joaquín Almunia über Stromrabatte.

Foto: Daniel Naupold

Berlin. Die Stromrabatte für die deutsche Industrie sind so hoch wie nie. Um mehr als fünf Milliarden Euro werden die Firmen bei den Ökostromkosten entlastet — das müssen die Verbraucher schultern. Nicht nur die EU fragt sich, ob Molkereien, Schlachthöfe oder Straßenbahnen im internationalen Wettbewerb stehen.

Im Gespräch mit Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) deutete EU-Kommissar Joaquín Almunia gestern eine Kompromisslinie an. Die EU-Kommission sei bereit, auch künftig Rabatte für Industrie-Branchen wie Stahl, Aluminium und Zink zu akzeptieren. Eine Einigung zwischen Brüssel und Berlin über die künftigen Förderrichtlinien bei den erneuerbaren Energien und die umstrittenen Vergünstigungen für energieintensive Unternehmen soll bis zum 9. April stehen.

2011 hatten Union und FDP die Regeln gelockert. So sollte verhindert werden, dass die Industrie wegen hoher Stromkosten im Zuge der Energiewende das Land verlässt. Der Grenzwert für Rabatte wurde von zehn Gigawattstunden auf eine Gigawattstunde Verbrauch gesenkt, zudem müssen die Stromkosten an der Bruttowertschöpfung eines Konzerns nur einen Anteil von 14 statt zuvor 15 Prozent haben.

Ihre Stromrechnung steigt. Die im Strompreis enthaltene Umlage ist nur noch bedingt eine Ökostrom-Umlage, mit der die Förderung von Windparks, Solaranlagen und Biogasanlagen bezahlt wird. Sie ist auch eine Industrie-Umlage geworden. Ein Durchschnittshaushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch zahlt in diesem Jahr 220 Euro Umlage. Bei einer Reduzierung der Rabatte auf Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, könnten diese Kosten um bis zu 45 Euro gesenkt werden.

Firmen mit einem besonders hohen Verbrauch zahlen statt 6,24 Cent nur 0,05 Cent Ökostrom-Umlage. Umstritten ist, dass auch Futterhersteller, Recyclingfirmen, Braunkohletagebau, Molkereien, Schlachtbetriebe und kommunale Verkehrsbetriebe Nachlässe bekommen. Hinzu kommt, dass viele Firmen dank des starken Ökoenergie-Zuwachses auch von gesunkenen Einkaufspreisen für Strom profitieren.

Der Großteil der privilegierten Strommenge wird für Firmen in NRW, Bayern und Niedersachsen gewährt, sagt Bafa-Präsident Arnold Wallraff. Die drei am stärksten privilegierten Wirtschaftszweige seien die Chemie-, Metall- und Papierindustrie.

Gibt es keine Einigung mit Brüssel, dürfen für 2015 keine neuen Rabatte mehr bewilligt werden. Als Frist gilt das dritte Quartal 2014. Die Industrie warnt vor einer Pleitewelle.

Sigmar Gabriel (SPD) meint, es wäre schon ein Erfolg, die Fünf-Milliarden-Rabatte um etwa eine Milliarde zu kappen. Denkbar wäre bei der Ausnahme-Regelung eine Mischform: So könnten bestimmte Branchen grundsätzlich als rabattwürdig definiert werden, Anträge würden aber wie bisher nach Einzelfallprüfung entschieden.

Klar ist bisher nur, dass Rabatte für die aus ökologischen Gründen begünstigten Schienenbahnen einheitlich geregelt werden sollen. Die Deutsche Bahn muss mehr als bisher zahlen. Das könnte zu höheren Preisen führen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort