Textilhandel: China zieht die Welt an

Ende dieses Jahres ist Schluss mit den Quoten. Dann überschwemmt uns das Reich der Mitte mit Bekleidung. Und: Die Preise werden sinken.

<strong>Düsseldorf. Weltreise gefällig? Kein Problem! Öffnen Sie einfach Ihren Kleiderschrank, ein Blick auf die Etiketten der T-Shirts, Hemden, Blusen und Hosen genügt. "Made in Turkey", "Made in Thailand" oder "Fabriqué en Inde" steht da zu lesen. Und immer häufiger "Made in China". Hüllt sich das Kleidungsstück in Schweigen (eine Pflicht zur Herkunftsbezeichnung gibt es hierzulande bei Textilien nicht), ändert das nichts an den Tatsachen: "Made in Germany" ist das gute Stück so gut wie nie.

Seit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 dominiert China das Geschäft mit Textilien und Bekleidung. Dass die Hersteller aus dem Reich der Mitte ihren Marktanteil bisher dennoch nicht über 20 Prozent steigern konnten, hat einen einfachen Grund: Ausfuhrquoten.

"Der Aufstieg Chinas zur Schneiderei der Welt ist nicht mehr aufzuhalten", sagt Eric Heymann, Branchenanalyst der Deutschen Bank. Seiner Einschätzung nach werden die chinesischen Hersteller ihren Marktanteil am globalen Handel mit Textilien und Bekleidung rasch auf über 50 Prozent steigern. "Und da ist noch viel mehr drin", vermutet Heymann.

Ein weiterer Wettbewerbsvorteil kommt hinzu: Alle Stufen der Bekleidungsproduktion sind im Reich der Mitte versammelt. China ist der weltgrößte Produzent von Baumwolle. Von der Herstellung der Fasern bis zum Zusammennähen der Hemden oder Hosen geschieht alles im Lande.

Welche Rolle China bald spielen wird, zeigt das Beispiel Japan. Das Land zählt mit den USA und Europa zu den weltgrößten Importeuren von Textilien, bestand aber nie auf Einfuhrquoten. China konnte hier einen Marktanteil von 80 Prozent erobern.

Branchenexperte Heymann erwartet, dass Pekings Siegeszug anderswo massive Arbeitsplatzverluste nach sich ziehen wird. Betroffen sind neben Italien, Portugal und der Türkei alle Produzenten in Osteuropa. Katastrophal könnten die Auswirkungen in Ländern wie Kambodscha und Bangladesh sein, weil hier ein Großteil der Bevölkerung auf Einnahmen aus Textilexporten angewiesen ist.

Zu den Nutznießern dieser Veränderungen gehören auch die Verbraucher in Deutschland. "Mit dem wachsenden Marktanteil Chinas werden die Preise für Bekleidung fallen", prophezeit Heymann. Angesichts des Wettbewerbs im Einzelhandel kämen bessere Einkaufsmöglichkeiten auf jeden Fall beim Kunden an.

Weniger günstig sieht es dagegen mit den sozialen und ökologischen Standards in der Fertigung aus. Weltweit gültige Textil-Gütesiegel von Bedeutung fehlen - auch deshalb, weil die Verbraucher nicht danach verlangen. Erwähnung verdient allenfalls der Öko-Tex Standard 100, der den Einsatz von Schadstoffen verbietet oder begrenzt.

Textilhändler wie H&M oder C&A betonen auf Anfrage, wie wichtig es ihnen ist, dass Mensch und Natur bei der Produktion keinen Schaden nehmen. Mit allen Zuliefer-Betrieben gebe es entsprechende Vereinbarungen, deren Einhaltung in Stichproben kontrolliert werde.

Deutschlands Importe Die hierzulande verkaufte Bekleidung stammt zu 95 Prozent aus dem Ausland. Übertroffen wird dieser Anteil noch bei Schuhen, hier sind es 98 Prozent. Bei Fernsehern beträgt die Importquote bereits 77 Prozent.

Chinas Exporte Was das Reich der Mitte bei Bekleidung erst noch erreichen will, hat das Land bei anderen Produkten längst geschafft. So bringt China es bei Schuhen und Kinderspielzeug auf einen Weltmarktanteil von etwa 80 Prozent. Bei Fotokopiergeräten sind es schon 70 und bei Digitalkameras immerhin 50 Prozent.

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