WestLB-Desaster vor Gericht

Prozess: Ab Mittwoch steht Jürgen Sengera, Ex-Chef der WestLB, vor dem Düsseldorfer Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Untreue vor.

<strong>Düsseldorf. Am Mittwoch holt die Vergangenheit Jürgen Sengera (64) endgültig ein. Dann muss sich der frühere Top-Banker und Ex-Chef der WestLB wegen schwerer Untreue vor dem Düsseldorfer Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in der 200 Seiten umfassenden Anklageschrift vor, 1999 ohne ausreichende Risikoprüfung die Vergabe eines Kredits von 1,3 Milliarden Euro an die britische Leasinggesellschaft Boxclever betrieben zu haben. Dadurch sei der WestLB nach der Insolvenz des britischen TV-Verleihers 2003 bis heute ein Schaden von 427 Millionen Euro entstanden.

Der Kaarster Jürgen Sengera, der von 2001 bis 2003 die WestLB geleitet hatte, war zuvor bereits seit 1984 Vorstandsmitglied der Bank gewesen. Seit April 1998 war er für das so genannte Spezialfinanzierungsgeschäft der Bank zuständig, das überwiegend von der Londoner Zweigstelle der Bank aus betrieben wurde. Dort hatte Bankerin Robin Saunders den Boxclever-Deal eingefädelt, der sich als das verheerendste Kreditgeschäft der WestLB erweisen sollte.

In akribischer Kleinarbeit haben die beiden Staatsanwälte Henning Wilke und Nils Bußee von der Düsseldorfer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität zahlreiche Beweise gegen Sengera zusammengetragen, mehr als 200 Urkunden als Beweismittel eingereicht und die Ladung von 61 Zeugen beantragt, darunter sämtliche früheren WestLB-Vorstände wie Gerhard Roggemann, Johannes Ringel, Hans Henning Offen und Wolf-Albrecht Prautzsch. Auch der damalige Vorsitzende des Kreditausschusses, Rolf Gerlach, soll als Zeuge gehört werden.

Der Angeklagte Sengera, der in jungen Jahren erfolgreich das Tor der deutschen Handball-Nationalmannschaft hütete, sorgt im übrigen dafür, dass im aktuellen Prozess noch ein weiterer Bekannter aus dem Mannesmann-Verfahren auftreten wird: Neben WestLB-Hausanwalt Christian Richter aus Köln hat Sengera sich nämlich der Dienste von Eberhard Kempf versichert, der im Mannesmann-Verfahren bereits Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vertreten hatte.

Landesbank Die WestLB ist heute die drittgrößte Landesbank. Sie ging am 1. August 2002 an den Start, als die frühere Westdeutsche Landesbank aufgespalten wurde. Die kommerziellen Aktivitäten der einst größten deutschen Landesbank wurden in der WestLB AG gebündelt. Die Aktienmehrheit halten die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen. Das Land hält 38 Prozent.

Mitarbeiter Für die WestLB arbeiten derzeit rund 5900 Mitarbeiter im In- und Ausland.

Bilanz Durch Fehlspekulationen wie im Boxclever-Skandal und durch die Bankenkrise geriet der Konzern in die Verlustzone. In den ersten neun Monaten 2007 wurde ein Verlust von 148 Millionen Euro eingefahren.

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