Wirtschaft Widerrufsjoker sticht nicht mehr

Gesetzgeber will die Banken vor Ausstieg der Kunden aus alten Immobilienkrediten schützen.

Wirtschaft: Widerrufsjoker sticht nicht mehr
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Düsseldorf. Den Banken war er schon lange ein Dorn im Auge, weil viele Tausend Kunden ihn nutzten, um aus hochverzinsten Immobiliendarlehn auszusteigen: der Widerrufsjoker. Jetzt will der Gesetzgeber den Banken zur Seite springen und eben diesen Widerrufsjoker abschaffen.

Wer vor Jahren einen Kredit aufnahm, musste dafür einen Zinssatz von fünf oder mehr Prozent hinnehmen. Weil mittlerweile der Kredit bei zehnjähriger Bindung zu 1,5 Prozent zu haben ist, wäre es für den Kunden attraktiv, vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen und ein neues Darlehn zu dem günstigeren Zinssatz aufzunehmen. So ließen sich je nach Vertragshöhe und Laufzeit mehrere tausend Euro Zinsen sparen. Zwar kann der Kunde seinen Vertrag kündigen, doch dann steht der Bank eine Vorfälligkeits-Entschädigung zu. Die ist meist so hoch, dass sie den Vorteil, den der Kunde durch die verminderte Zinslast hätte, wieder auffrisst.

Es gibt aber oft eine günstigere Möglichkeit, vorzeitig und ohne Vorfälligkeits-Entschädigung aus dem Vertrag herauszukommen — per Widerruf. Grundsätzlich hat der Bankkunde ein solches Widerrufsrecht zwar nur bis zwei Wochen nach Vertragsschluss. Die Frist kann sich aber auf Jahre verlängern, wenn die Widerrufsbelehrung durch die Bank nicht korrekt war.

Eben das war in vielen Zehntausend Fällen bei Darlehnsverträgen der Fall, die in den Jahren zwischen 2002 und 2010 abgeschlossen wurden. Verbraucherschützer sprechen sogar davon, dass etwa 80 Prozent der ab Oktober geschossenen Immobilienkreditverträge eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthielten Noch heute kann man aus diesen Verträgen mit dem von Verbraucherschützern Widerrufsjoker genannten Instrument aussteigen.

Das wurmt die Banken, bringt es doch Kunden einen Vorteil von Tausenden, mitunter auch Zehntausenden Euro Zinsersparnis ein. Sie argumentieren: Selbst wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, dürfe es nicht sein, dass der Kunde sich noch nach Jahren darauf berufen könne. So scheint das nun auch der Gesetzgeber zu sehen: Der Widerrufsjoker soll sterben.

Die Pläne sehen ein automatisches Erlöschen des Widerrufsrechts nach einem Jahr und 14 Tagen vor — und zwar unabhängig davon, ob das Kreditinstitut zuvor seinen Belehrungs- und Informationspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Julius Reiter, Düsseldorfer Verbraucherschutzanwalt, der selbst schon zahlreiche dieser Fälle durchgefochten hat, beklagt: „Hier wird ein Sonderrecht für Banken geschaffen, das den Verbraucher einseitig benachteiligt.“ Würden die Pläne Realität, dann wäre die Widerrufbarkeit für Altverträge ab dem 21. Juni 2016 nicht mehr möglich. Reiter sieht darin eine „völlig unangemessene Einschränkung eines zentralen Verbraucherrechts.“

Wenn Verbraucher nicht korrekt über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt werden, so wüssten sie nicht, unter welchen Voraussetzung sie widerrufen können. Eine Widerrufsbelehrung sei wichtige Verbraucheraufklärung. Erfolge diese nicht korrekt, so müsse das zu Lasten des Anbieters, also der Bank gehen — und nicht zu Lasten des Kunden. Reiter: „Wird ein Verstoß nicht ausreichend sanktioniert, sondern bleibt, wie jetzt geplant, nach Ablauf einer bestimmten Frist ohne nachteilige Folgen für die Bank, so wird der Sinn der Widerrufsbelehrung verfehlt.“

Immerhin, so sagt Reiter, bleibe Betroffenen eine Schonfrist. Es sei sinnvoll, die eigenen Immobiliendarlehnsverträge in den kommenden Wochen prüfen zu lassen, um rechtzeitig die notwendigen juristischen Schritte einleiten zu können.“ Dabei helfen sowohl Verbraucherzentralen als auch Anwälte.

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