Das Ekel Alfred in Fleisch und Blut

Zum Abschluss der Tournee präsentiert das Ensemble des Kleinen Theaters Bad Godesberg eine gelungene Vorstellung von „Ein Herz und eine Seele“ in der Hans-Hoersch-Halle.

Burscheid. Hätte seine Else, die „dusselige Kuh“, alle seine triefend-bissigen Beleidigungen ernst genommen, wären die Tetzlaffs und ihr Schwiegersohn schon in der ersten Folge aus dem Jahr 1973 geschiedene Leute gewesen. Weil aber selbst die Wiederauflage der Serie vor etwa fünf Jahren noch eine große TV-Fan-Gemeinde hatte, war es eigentlich erstaunlich, dass die zotigen Gags und pseudo-politischen Ergüsse erst vor zwei Jahren auch die Theaterbretter eroberten.

Zur ersten Vorstellung im Rahmen des Kulturprogramms im neuen Jahr füllte sich am Samstagabend die Hans-Hoersch-Halle an der Höhestraße hauptsächlich mit Besuchern, denen die Personen der damaligen Fernseh-Kultserie noch in all ihrer Verschrobenheit deutlich vor Augen waren.

Nun bekamen die zweidimensionalen Charaktere Fleisch und Blut — auch wenn die Akteure auf der Bühne die in der Erinnerung gespeicherten Gesichter der TV-Bilder erst einmal in Vergessenheit spielen mussten. Mit ihrem mitreißenden Tempo, ihrer exakten Treue zum Originaldrehbuch des Autors Wolfgang Menge, der im Oktober des vergangenen Jahres gestorben ist, ließen sie die siebziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland wieder aufleben.

Das Familien-Idyll mit Sprengstoff-Atmosphäre zwischen Küche und spartanisch möbliertem Wohnzimmer sorgte bei jedem Gag für Gelächter im vollbesetzten Saal. Wolfgang Menge als Journalist und Autor vieler unvergessener TV-Serienfiguren traf mit diesen proletarischen „Ruhrpöttern“ mehrere Nägel auf einmal auf den Kopf. Ob „heiße Bowle“ — Verzeihung: Punsch — aus 100 Prozent Rum oder Silberhochzeit: In jeder Szene schwirrten politische Unkenntnis, Umbruch im Wirtschaftleben, Generationsprobleme und Fremdenangst durch den Raum.

Und warum kam es nicht zur Explosion der hochkochenden Aggressionen? Das ausgefuchste Konzept Menges ließ seinen Protagonisten einen guten Spielraum für Mimik, Situationskomik und Improvisation. Die Rolle des Ekel Alfred war Josef Hofmann (56 Jahre alt) wie auf den Leib geschnitten.

Seit seinem Schauspielstudium an der Kunsthochschule Berlin war er bei mehreren Bühnen tätig und gehört zum Ensemble des Kleinen Theaters Bad Godesberg. An seiner Seite verwandelte sich Ursula Michelis aus Köln in die unbedarfte, liebenswerte Else Tetzlaff. Sie absolvierte ihr Schauspielstudium als Neustart nach einer längeren Familienpause und belegte in vielen bekannten TV-Serien tragende Rollen.

Seinem Vorbild Dieter Krebs recht nahe kam auch der 30-jährige Nikolas Sebastian Knauf als Tetzlaff-Schwiegersohn Michael Graf. Er wirkte in vielen Kurzfilmen mit und machte sich einen Namen als Synchronsprecher. Hübsch, verträglich — und geduldig mit ihren schwierigen Eltern — war Kerstin Baldauf die ideale Rita Tetzlaff. Die Theaterpädagogin kam über ein Studium der Sozialerziehung zur Schauspielschule Graz und oft im Ensemble des Kleinen Theaters. Sie erarbeitet unter andrem Kunstprojekte speziell für behinderte Kinder. „Ein Herz und eine Seele“ hatte im Oktober 2011 Premiere und schloss die Tournee mit der Vorstellung in Burscheid ab.

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