Ein vergessener rheinischer Held

Moses Hess war der erste Vorsitzende der Kölner SPD — lange kannten ihn bloß Insider.

Köln. „Moses Hess war neben Marx, Engels und Heine der bedeutendste, aber auch der unbekannteste Held des Rheinlandes“, sagt Professor Jürgen Wilhelm bei der Vorstellung des im Greven Verlag erschienen Buchs zum rheinischen Juden, Revolutionär und frühen Zionisten, der in der Bekanntheit immer vor Theodor Herzl zurückstehen musste. „Die Geschichte von Hess ist eine Geschichte des Vergessens, des Verdrängens und des Verrats“, fasst Auto Volker Weiß die Rezeption des 1812 in Bonn geborenen Philosophen und Schriftstellers zusammen.

Heute erinnert neben einem Straßennamen in Stammheim noch ein Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Deutz an Hess, auf dem 1903 „Vater der Sozialdemokratie“ eingemeißelt wurde. Sein Leichnam selbst wurde von Köln nach Israel überführt. „Für mich hat dieses Buch die Zeit von Moses Hess und deren Konflikte wieder lebendig gemacht“, sagt Jochen Ott, Geschichtslehrer und aktueller Vorsitzender der Kölner SPD.

„Das Buch stellt einen sehr vielfältig engagierten Menschen vor, einen Kölner Helden der 48er-Revolution. Er hat Themen vorangebracht, die uns bis heute prägen und beschäftigen“, sagt Ott und nennt beispielsweise Hess Einsatz für die Emanzipation der Frau, für ein soziales und gerechtes Europa sowie für einen säkularen Staat. Er war ein typischer Vertreter des deutschen Judentums, aber auch einer, der sich nicht durch eine Taufe anpassen wollte. Er lebte, obwohl er einer konservativen jüdischen Familie entstammte, ein modernes Judentum und verlangte, ein gleichberechtigter Staatsbürger zu sein, auch wenn er den Glauben nicht ablegte.

Ungewöhnlich war auch, wie Hess die Judenfeindschaft seiner Zeit thematisierte und kritisierte. Ein Antisemitismus, der auch heute noch herrscht: „Ich bin beschämt, welche unreflektierte Antisemitismus-Strömungen es in der Linken gibt und wie Kapitalismuskritik an bestimmten Volksgruppen festgemacht wird“, sagt Ott. Am Ende seines Lebens entwickelte der „ideelle Vater Israels“ die Vision eines jüdischen Staates als Musterdemokratie, wofür er bis heute in Israel noch verehrt wird.

In Köln gehört Hess unter anderem zum Gründerkreis der „Rheinischen Zeitung“ und agierte unermüdlich in Deutschland, Frankreich, Belgien und der Schweiz. Berüchtigt waren seine Freundschaften und Feindschaften etwa mit Friedrich Engels und Karl Marx. Letzterem sagte Hess schon in jungen Jahren schon voraus, dass er „ein ganz Großer wird.“

„Hier in Köln war das Zentrum der intellektuellen Entwicklung und der Arbeiterbewegung. Darauf können wir heute als Stadt stolz sein“, sagt Ott. Hess sei ein Mensch gewesen, der selbst die Initiative ergriffen und praktisch interveniert hat, wenn es um die Lösung der sozialen Frage und der Abschaffung der Klassenunterschiede ging. „Das ist ein Buch für unsere Stadt und für die Arbeiterbewegung. Es ist wichtig für die Erinnerungskultur in Köln“, betont Ott.

Volker Weiß: Moses Hess: Rheinischer Jude, Revolutionär, früher Zionist, Greven-Verlag, 240 Seiten, 19,90 Euro.

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