Rüssel macht die Dhünn zum Fischer-Paradies

Die Arbeiten unterhalb des Wasserspiegels gehen voran. Der Artenreichtum soll erhöht werden.

Rüssel macht die Dhünn zum Fischer-Paradies
Foto: Roland Keusch

Rhein.-Berg. Kreis. Beim Gedanken an die Dhünn kommt Dr. Marlene Liebeskind ins Schwärmen. Die Biologin vom Wupperverband spricht von einer „super Wasserqualität, wie wir sie in Nordrhein-Westfalen nicht oft haben“. Geringe Besiedelung, wenig Industrie und wenig Klärwasserzufluss schafften eigentlich beste Voraussetzungen für eine artenreiche Fischwelt.

Rüssel macht die Dhünn zum Fischer-Paradies
Foto: Roland Keusch

„Es könnten bis zu 23 verschiedene Arten sein“, sagt Liebeskind, „doch derzeit sind es gerade einmal fünf.“

Rüssel macht die Dhünn zum Fischer-Paradies
Foto: Roland Keusch

Vielen Arten ist die Dhünn schlichtweg zu kalt. Statt bei möglichen rund 20 Grad im Sommer liegt die Temperatur nur bei 13 Grad. Grund dafür ist das mit 6 Grad zu kalte Tiefenwasser der Großen-Dhünn-Talsperre, das dem Unterlauf der Dhünn zugeführt wird.

Kälte ist Gift für Wachstum und Fortpflanzung der wechselwarmen Flossentiere, oder wie es Liebeskind sagt: „Die Fische kommen nicht in Stimmung.“ Ein Rüssel soll das nun ändern.

Mit dem sogenannten „Thermo-Rüssel“, der derzeit als dritte Leitung am Entnahmeturm der Talsperre angeschlossen wird, kann wärmeres Wasser an die Dhünn abgegeben werden. „Der Clou an der neun Meter langen Leitung ist, dass sie schwenkbar ist. So können wir das Zulaufwasser aus anderen, wärmeren Schichten auswählen“, erklärt Bauleiter Thorsten Luckner.

Über eine Online-Analyse-Station können nach Abschluss der Arbeiten die Wasserwerte überprüft, der Rüssel je nach Bedarf über eine Seilwinde in Position gebracht werden

Derzeit bereiten Mitarbeiter der Hamburger Spezialfirma „Taucher Heros“, die sonst an Ölbohrinseln oder Windkraftanlagen auf dem Meer arbeiten, alles für den Anschluss am Turm vor. Auf dem Wasser haben sie ein Ponton mit Kran und Baucontainer errichtet. Die eigentlichen Arbeiten finden jedoch in einem kleinen Arbeitsraum unter dem Wasserspiegel statt. „Der Verbaukasten wurde von Tauchern mit einem aufwendigen Dichtungsprofil am Turm befestigt, so dass kein Wasser eindringt“, beschreibt Luckner.

Dort unten, zwei Meter unter dem Wasser, haben die Schlosser und Schweißer mit Tauchausbildung ein 1,1 Meter großes Loch in den 80 Zentimeter starken Stahlbeton des Turms gesägt. Hier soll demnächst der Rüssel angesetzt werden.

Im gleichen Zug installiert der Wupperverband eine Wasserkraftanlage an der neuen Leitung. Durch zwei Durchströmturbinen fließen 800 Liter Wasser pro Sekunde und erzeugen rund 1,3 Millionen Kilowattstunden im Jahr. „Wir verstromen jeden Liter, den wir an die Dhünn abgeben“, erklärt Luckner über die Anlage, die pro Jahr 290 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgen kann.

Angesichts dessen seien die Gesamtkosten für das Pilotprojekt von 1,5 Millionen Euro vertretbar. Zumal der „Thermo-Rüssel“ jeweils zur Hälfte von EU und Land gefördert werde. Doch Luckner führt auch ökologische Gründe an: „Durch Bau und Nutzung der Talsperre haben wir die Natur durchaus strapaziert. Jetzt ist es an der Zeit, mal etwas zurückzugeben.“

Worte, über die sich auch Marlene Liebeskind freut. Sie hofft auf eine Erholung der Fischbestände. „Die Dhünn ist das erste Gewässer in NRW, das ohne Wehre und damit für Wanderfische komplett durchgängig ist“, sagt die Biologin. Die Voraussetzungen sind also gut, dass bald wieder Lachse, Barben und Döbel die Dhünn bevölkern.

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