Auch 35-Jährige sollen noch in die Lehre gehen

Vielen Branchen geht der Nachwuchs aus. Deswegen will die Agentur für Arbeit auch ältere Menschen in Ausbildung bringen.

Auch 35-Jährige sollen noch in die Lehre gehen
Foto: Archiv

Düsseldorf. Immer mehr Branchen in Düsseldorf leiden unter Nachwuchsproblemen. Dies ist ein Ergebnis der Ausbildungsbilanz, die gestern von der Arbeitsagentur und den Kammern präsentiert wurde. Insbesondere die Handwerkskammer (HWK) beklagt: „Für den beschäftigungsstärksten aller vier Wirtschaftssektoren wird es in Zukunft schwieriger werden, gute Abgänger für eine Ausbildung zu gewinnen“, sagt HWK-Geschäftsführer Christian Henke. Der oft kritisierte Fachkräftemangel zeichne sich jetzt am Horizont ab.

Auch Arbeitsagentur-Chef Johannes Pfeiffer hat diese Vorboten ausgemacht. „Wir sehen den Fachkräftemangel bereits punktuell.“ Dennoch spricht er von einem intakten Standort. „Die Betriebe haben uns mehr Ausbildungsplätze gemeldet als im Jahr davor. Das ist nicht selbstverständlich.“ Konkret handelt es sich um 379 Stellen (plus 8,5 Prozent), die zu einem Gesamtangebot von 4864 Lehrstellen geführt haben. 215 dieser Stellen sind aktuell noch offen, 125 Bewerber bislang noch unversorgt.

Gravierender sieht es speziell im Handwerk aus: 600 Stellen sind derzeit dort noch offen — doppelt so viel wie im Vorjahr. Besonders betroffen sind die Maler, Lackierer und Friseure. Bei letzteren ist im Vergleich zum Vorjahr sogar jede vierte Ausbildungsstelle weggebrochen. Auch das von konjunkturellen Problemen gebeutelte Kfz-Gewerbe ächzt. Insgesamt verzeichnet die Handwerkskammer ein Minus von 5,3 Prozent an abgeschlossenen Azubistellen.

Deutlich stabiler sieht dies bei der Industrie- und Handelskammer aus. Der Rückgang liegt lediglich bei 0,6 Prozent und mit 5034 abgeschlossenen Verträgen (statt 5066 im Vorjahr) ist das Niveau weiter hoch. Wie berichtet hat es jedoch auch in dieser Kammer großen Aderlass gegeben: Banken und Versicherungen haben gleich 20 Prozent weniger geeignete Bewerber gefunden. Ursache: Imageprobleme der Geldinstitute und der Trend, dass immer mehr jungen Menschen studieren wollen. „Alle wollen Häuptlinge werden, aber jeder weiß, dass in der Wirtschaft Indianer benötigt werden“, beschreibt Christian Henke das Phänomen, das auch im Handwerk Lehrstellen verwaisen lasse.

Dieter Schormann, Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG, macht dagegen auch Arbeitgeber als Ursache für unbesetzte Ausbildungsstellen aus. „Sie schieben den Schwarzen Peter gern pauschal den Jugendlichen und ihrer angeblich mangelnden Ausbildungsreife zu.“ Dabei fehle es vielen Betrieben an der Ausbildungsreife, weil dort Jugendlichen zu wenig vermittelt werde. Und viele würden einfach nur als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt. Deshalb haben laut Schormann 1419 Azubis im vergangenen Jahr hingeschmissen.

Um mehr Nachwuchskräfte zu gewinnen, will die Arbeitsagentur jetzt auch die 25- bis 35-Jährigen ohne Lehre aktivieren. „Erstausbildung junger Erwachsener“ lautet jetzt die Devise.

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