Baumhaus: Himmlisches Leben in der Nuss

Kleine Jungs träumen davon, Wolfgang Engelhardt hat eins und ist nirgendwo lieber.

Düsseldorf. Ob die Nachbarn an einen Aprilscherz glaubten, ist nicht überliefert. Wolfgang Engelhardt meinte es jedenfalls ernst, als er am 1.April 2007 einen Schwertransporter anrücken, eine Straße sperren und die Bushaltestelle verlegen ließ.

Das musste sein, damit der 450 Tonnen schwere Kran eine große Walnuss mit Fenstern über sein Haus an der Düsseldorfer Straße in den Garten bugsieren konnte. Seitdem hat Engelhardt (58) das, wovon kleine Jungs träumen: ein Baumhaus.

"Eine verrückte Idee, nicht?" Wolfgang Engelhardt lächelt versonnen. Dabei ist der Mann so gar nicht verrückt, sondern komplett geerdet: Frau, drei Kinder, von Beruf Anlagenbauer mit 20 Angestellten. Das Geschäft brummt, auch international: "Unsere Anlagen verbrennen Schadstoffe und erzeugen Energie." Der Ingenieur hat also viel zu tun - aber Arbeit ist ja nicht das ganze Leben.

Schon länger hatte er überlegt, wie man die Ecke am Ende des Gartens im Schatten eines großen Walnuss-Baumes gestalten könnte. Da hörte er im Radio von einem Bremer Architekten, der sich auf den Bau von Baumhäusern spezialisiert hat. In Engelhardts Kopf formte sich eine Idee: "Wir haben telefoniert, ich hab’ ihn eingeladen, und dann haben wir hier gesessen und ein bisschen rumgesponnen." Aus der Spinnerei erwuchs schließlich ein veritables 2,5-Tonnen-Häuschen, das entfernt an eine Walnuss erinnert.

"Sollen wir es uns mal ansehen?" Das freundliche Gesicht des 58-Jährigen wirkt plötzlich noch einen Tick entspannter, als er durch den schmalen Garten stapft und von der dreiwöchigen Arbeit spricht, die nötig war, ehe das Baumhaus aus Eiche an seinem Platz stand.

Dafür musste ein Betonfundament gegossen werden, in das acht dicke Stahlstelzen eingelassen sind, die das Holz-Refugium stützen. "Der Baum selbst kann das Häuschen nicht tragen, sondern nur eine Terrasse", erzählt Engelhardt, während er ein paar Stufen hochsteigt. Die - natürlich ebenfalls - hölzerne Terrasse ist mit dicken Seilen am Walnuss-Stamm befestigt.

Jetzt noch ein paar Schritte höher - und plötzlich liegt das eine Leben, das mit Arbeit, Stress und Anspannung zu tun hat, hinter einem.

"Der Alltag entschwindet", beschreibt der Haus-Herr seine Gefühle, wenn er sich in dieser Sieben-Quadratmeter-Oase aufhält. "Mein Rückzugsort, ein idealer Wohnraum", seufzt Wolfgang Engelhardt glücklich, als er es sich auf dem Bett gemütlich macht. "Spüren Sie das? Diese leichte Bewegung?" Klar, wie ein Segelschiff bei leichter Brise, nur höher. Bücher, Rotweinflaschen, eine kleine Hifi-Anlage, Mozart-CDs - alles in Reichweite.

Spots in der Decke können das Heim auf Stelzen in Licht tauchen, eine kleine Heizung macht selbst im Winter den Aufenthalt angenehm. "Ich kann nachdenken, in Ruhe lesen, Musik hören. Man ist abgehoben." Das ist wörtlich zu nehmen. Über einem nur der Himmel, links und rechts Grün, Grün, Grün. Und die Nachbarn, denen man von oben zuschauen kann. Könnte.

"Ja, das war ein Problem": Jetzt ist Engelhardt wieder ganz sachlich. Denn in Deutschland kann nicht einfach jeder so ein Baumhaus aufstellen, wenn er Lust dazu hat. Er braucht u.a. die Genehmigung der Nachbarn, wenn die Abstandsflächen zu den Grundstücken überschritten werden.

"Der Nachbar zur Linken, der das Haus inzwischen verkauft hat, ärgerte sich besonders, weil ich den nicht fragen musste." Engelhardt grinst. Das Baumhaus war weit genug entfernt; mit dem Nachbarn zur Rechten hatte er sich nach ein, zwei Monaten geeinigt. Der 58-Jährige versteht ja, dass einer skeptisch wird, wenn er sich von oben beobachtet fühlt.

Aber wer will schon in Nachbars Garten schauen, wenn er den Himmel sehen kann?

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