Carl Lauterbach: Mitläufer oder Widerständler?

Der Maler und Sammler Carl Lauterbach vermachte der Stadt eine Stiftung mit Sach- und Geldwerten. Nun wird er posthum schwer angegriffen.

Düsseldorf. Seit 1995 gibt es die Carl- und Ruth-Lauterbach-Stiftung, die die Erinnerung an den Maler, Sammler und Archivar wach halten soll. Die Witwe stiftete der Stadt ein Anfangsvermögen von einer Million D-Mark für Archivräume, Publikationen und einen Künstlerförderpreis für soziale Grafik. Archivleiter wurde Werner Alberg vom Stadtmuseum, der 1994 eine Lauterbach-Monografie herausgebracht hatte. Nun distanziert er sich von diesem Buch und erhebt kurz vor seiner Pensionierung massive Vorwürfe gegen Lauterbach. Ein Versuch, der historischen Wahrheit nahe zu kommen.

Carl Lauterbach (1906- 1991) gehörte der Künstleravantgarde des Jungen Rheinlands und der Rheinischen Sezession an. Seine Freunde waren der jüdische Lehrer Otto Levin, dem er einen Großteil der derzeit im Stadtmuseum gezeigten Kinderzeichnungen anvertraute, und der Nazigegner Otto Pankok. Unter Lebensgefahr verstaute er Dokumente des Widerstandes in wasserdichten Kisten im Burscheider Elternhaus. 1981 sorgte der damalige Stadtmuseumsleiter Wieland Koenig für die Wiederentdeckung des Künstlers, 1982 kamen die ersten von 1600 Kisten mit Archivmaterial ins Stadtmuseum. Im WZ-Gespräch wirft Alberg Lauterbach eine „aktive Teilhabe am NS-Kulturleben in Düsseldorf“ vor. Vier Gründe seien dafür ausschlaggebend:

Ausstellungen Lauterbach nahm in der Nazizeit an 42 Ausstellungen teil, wie er selbst notierte, und erhielt Einladungen von offiziellen Stellen der Kulturverwaltung. Das gehe nur, so Alberg, wenn jemand Mitläufer sei.

Depot Kunsthalle Lauterbach stellte sein Oeuvre in der Kunsthalle unter. Albergs Vorwurf: „Die Düsseldorfer Kulturverwaltung war seit 1933 nationalsozialistisch ausgerichtet. Einen Verfolgten wird man dort wohl kaum eingeladen haben, seine Sachen in der Kunsthalle unterzustellen.“

Verfolgtenrente Diese Rente stehe, so Alberg, in einem „eklatanten Widerspruch zu seiner Teilnahme an Ausstellungen“. Alberg: „Die Behauptung, er sei verfolgt gewesen, ist absurd. Er war kein Nazi, aber ein Mitläufer.“

Dürer-Preis Lauterbach spricht vom Dürer-Preis, den er erhalten habe; es war aber nur das Dürer-Stipendium. Das beweise, so Alberg, „dass er sein Leben geschönt hat.“

Jüdische Kinderzeichnungen Hier behauptet Alberg, Blätter aus dem Archiv Lauterbach seien nicht immer von Kindern unterschrieben, seien beschnitten oder überklebt. Möglicherweise habe Lauterbach etwas verändert.

Albergs Vorwürfe werden von dem Galeristen Peter Barth, einem Experten für Künstler der 20er und 30er Jahre, sowie vom ehrenamtlichen Forscher Günter Goebbels relativiert. Beide betonen in WZ-Gesprächen, dass Künstler selbst unter Gestapo-Überwachung mit unverfänglichen Bildern am Kunstbetrieb in der NS-Zeit teilnehmen konnten.

Peter Barth: „Selbst Otto Pankok hat noch jahrelang im Nazi-Deutschland ausgestellt, obwohl er es sich als einziger leisten konnte, dies nicht zu tun, denn er war von Haus aus reich. Die ärmeren, dazu gehörte auch mein Vater Carl Barth, haben alle ausgestellt, und wenn es Blumenbilder waren.“ Lauterbach bekam 57 Reichsmark Wohlfahrtsunterstützung. Für den Lebensunterhalt blieben nur 70 Pfennig pro Tag übrig. Durch Ausstellungen konnte er überleben.

Dem Vorwurf, nur angepasste Künstler konnten ihre Werke in der Kunsthalle unterstellen, entgegnet Günter Goebbels: „In der Kunsthalle stellten in der NS-Zeit zahlreiche Künstler ihre Werke unter. Der dortige Kustos Fred Kocks (1905-1989) war Mitglied der NSDAP, aber als Künstler war er den Künstlern wohl gesonnen.“

Goebbels verweist auch auf WDR-Fernsehfilme von 1961 und 1964, wo die Ehefrau des Kunsthallen-Hausmeisters, Alice Himmelreich, schildert, wie der Maler Mathias Barz und seine Ehefrau Hilde Stein Unterschlupf in der Kunsthalle fanden, als Hilde Stein 1944 am Schlachthof abtransportiert werden sollte.

Zum Dürerpreis erklärt Goebbels, in allen Künstlerbiografien der Zeit werde das Dürer-Stipendium als Dürerpreis bezeichnet, bei Böckstiegel (1930), Felixmüller (1931), De Haer (1931) etc.

Die Behauptung, Lauterbach hätte Dokumente in der NS-Zeit beschnitten oder ausradiert, lehnt Goebbels ab. Er hätte Archivmaterial nie geändert. Und Peter Barth erklärt: „Lauterbach war nie Mitglied in irgendeiner Partei, aber durch seine Teilnahme am Jungen Rheinland und im Kreis um Johanna Ey war er mit vielen Künstlern befreundet, die in der KPD waren.“ Und Goebbels fragt sich: „Alberg hatte doch bis zum Tode Lauterbachs genügend Zeit, den Sammler nach den Unterschriften und Klebestreifen zu fragen. Warum tat er das nicht?“

Kulturdezernent Hans-Georg Lohe, der von Amts wegen die Lauterbach-Stiftung vertritt, weiß seit sieben Jahren, dass sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Werner Alberg Lauterbach skeptisch betrachtet. Deshalb gebe es auch seit 2007 keinen Lauterbach-Preis mehr.

Aus Zeitgründen habe er das Thema jedoch nicht öffentlich gemacht. Auf die Frage, warum der Leiter des Lauterbach-Archivs in über 20 Arbeitsjahren über ein paar Zettel hinaus kein ernstzunehmendes Forschungsergebnis vorgelegt habe, könne er keine Antwort geben. Lohe betont jedoch, er sei jetzt offen für eine Diskussion.

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