Der Baum als letzte Ruhestätte

Allerheiligen: Die Bestattungskultur ist im Wandel. Der Friedhof Gerresheim bietet Beisetzungen im Wald an.

Düsseldorf. Ein Ort der Ruhe. Goldgelbe Blätter rauschen leise im Wind, zeigen ihre Farben in der schwachen Herbstsonne. "Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt", steht auf einem Steinherz. "Wir vermissen Dich", auf einem anderen. Sie liegen auf einer Gedenkstätte des Gerresheimer Friedhofs. Eichen, Ulmen, Linden und Hainbuchen stehen dort. An ihren Wurzeln liegt die Asche von Verstorbenen. Ein gepflasterter Weg umläuft die Grabstätten - Namen, Daten, Bilder und Liebesgrüße zieren die Granite. "Ich wusste gar nicht, dass es das in Düsseldorf gibt", sagt Gisela Beyer aus Gerresheim. "Mein Mann und ich haben auch schon darüber nachgedacht."

Die Bestattungskultur ist im Wandel - seit der Landtag das Friedhofsrecht vor sechs Jahren gelockert hat. Auf dem Waldfriedhof in Gerresheim werden biologisch abbaubare Holzurnen in den Wurzelbereich von Bäumen eingesetzt. In einem anonymen Waldfeld wird die Asche, auf schriftlich fixierten Wunsch des Verstorbenen, ohne Urne vergraben. Der Friedhof in Stoffeln bietet sogar das Verstreuen auf einer Wiesenfläche an. Ein Pfarrer begleitet die Zeremonien.

Naturbestattungen basieren auf der Idee, dass der Verstorbene den direkten Weg in den Naturkreislauf findet. Es gibt aber noch ein zweites Motiv: "Der Trend geht zum pflegeleichten Grab", sagt Angelika Lämmerhirt, Bestattungsmeisterin des Friedhofs. Fast die Hälfte der 5415 Beisetzungen des letzten Jahres in Düsseldorf waren Urnenbegräbnisse. Besonders die Nachfrage bei Rasengräbern, die es in Gerresheim und Stoffeln gibt, steigt. Wie bei der Baum- und Waldbestattung regelt die Natur die Pflege dort selbst - das Friedhofspersonal hilft bei Bedarf nach. Die Arbeit ist in der Grabgebühr enthalten. "Das klassische Wahlgrab mit einer kostenintensiven Pflege ist nicht mehr so gefragt", sagt Lämmerhirt. Viele Angehörige hätten zudem gar nicht die Möglichkeit und Zeit, ein Grab in Schuss zu halten.

Die Gesellschaft ist mobiler geworden. Oft leben Eltern und Kinder nicht mehr am gleichen Ort. Junge Erwachsene wechseln sogar mehrmals den Lebensmittelpunkt - letztes Jahr kehrten 11543 Düsseldorfer zwischen 20 und 30 Jahren der Heimat den Rücken. "Seit wir Naturbestattungen anbieten sind die Beschwerden über vernachlässigte Gräber deutlich gesunken", sagt Lämmerhirt. Besucher begegnen den alternativen Grabstätten positiv. "Das Schöne an den Gräbern ist, dass sie immer gepflegt aussehen", sagt Ingrid Bischoff aus Gerresheim.

Die katholische Kirche steht den alternativen Bestattungsformen zum Teil kritisch gegenüber - Rasengräber und Waldfelder ohne Grabsteine seien zu anonym. "Zentrale Gedenktafeln reichen zur Trauerbewältigung nicht immer aus", sagt Pfarrer Ansgar Puff, stellvertretender Stadtdechant, auch im Hinblick auf Allerheiligen. "Viele Angehörige brauchen dafür den genauen Ort, an dem der geliebte Mensch ruht."

Individuell markierte Naturgrabstätten gibt es in Deutschland in so genannten Friedwäldern und Ruheforsten, die seit 2004 privat betrieben werden. Sieben solcher Begräbnisstätten liegen in Nordrhein-Westfalen - unter anderem in Hagen und Bad Münstereifel. Die Unternehmen betreiben die Wälder in Kooperation mit Kommunen und Forstverwaltungen. Die Stadt Düsseldorf hat daran kein Interesse. "Wir verkaufen unseren Stadtwald nicht", sagt Silke Wiebrock, Sprecherin des Friedhofsamtes. "Wir machen uns aber trotzdem Gedanken, wie wir unser Angebot verbessern können." Ein bepflanztes Parkfeld mit festen Wegen zu gekennzeichneten Gräbern ist in Planung.

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