Der Rhein als Flaniermeile aus Packeis

Was früher an der Tagesordnung war, machen heute Industrieabwässer nahezu unmöglich: Eis auf dem Rhein.

Düsseldorf. Zahllose Düsseldorfer sind auf wackeligen Beinen unterwegs. Unter ihnen eine massive Schicht aus gefrorenem Wasser. Mal ist sie blank und glatt, mal kantig und schroff. Der Rhein als Flaniermeile aus Packeis.

Die Szene spielt im Jahr 1942. Der Fluss wird von Spaziergängern bevölkert. Sie wandern von der Tonhalle zu den Oberkasseler Rheinwiesen und zurück. Ein Verkaufsstand säumt das Ufer.

Doch von der Idylle aus Eis ist es nicht weit bis zu deren Schattenseiten. Der Frost birgt seine Gefahren. „Anfang des 18. Jahrhunderts warnen sich die Städte noch mit Kanonenschüssen vor Treibeis“, sagt Benedikt Mauer, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs. Schwere Überschwemmungen können die Folge sein. Und 1946 führen Eisschollen der Freeman-Bridge erhebliche Schäden zu. Die nach dem Zweiten Weltkrieg für die Oberkasseler Brücke errichtete Schwimmbrücke musste zur Reparatur in den Hafen geschleppt werden.

Es sind Zeiten, in denen Eis auf dem Rhein nicht ungewöhnlich ist. Brückenpfeiler und sogar Häuser — wie von der Kaiserswerther Fähre aus zu sehen — werden in der Form eines Schiffsbugs gebaut. „So waren sie besser vor schwimmenden Eisplatten geschützt“, sagt Thomas Bernhardt von der Geschichtswerkstatt. Der Alte Hafen an den Kasematten und der ehemalige Napoleonische Hafen an der Kunstakademie waren zudem als Zufluchtsorte für Schiffe angelegt worden.

Mehr als 20 Mal war im 18. Jahrhundert in Düsseldorf die Rheinoberfläche gefroren. 1929 ist das fast auf der gesamten Länge des Flusses der Fall. 1963 allerdings wurden die letzten Schollen auf dem Rhein gesehen.

„Durch Industrieabwässer ist er immer wärmer geworden“, sagt Jan Böhme vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Duisburg. Und ihnen sei der Rhein stärker ausgesetzt als andere Flüsse. Zwei Grad messe der zurzeit, das liege im winterlichen Schnitt. Wie lange es noch kalt bleiben muss, damit sich eine Eisschicht bildet, kann er nicht sagen. „Uns fehlen Erfahrungswerte.“

An ruhigen Stellen ist der Rhein schon jetzt gefroren. In der Marina im Medienhafen zum Beispiel. Ein Problem ist das noch nicht. „Für Boote in erster Reihe am Landtag wird es aber langsam eng“, sagt Klaus-Eckhard Dausch von der Wasserschutzpolizei.

Und die Eiszeit ist noch nicht vorbei. „Ein Ende ist nicht in Sicht“, sagt Günther Hamm vom Deutschen Wetterdienst. Zwar würden die Temperaturen Anfang nächster Woche den Gefrierpunkt überschreiten, dann allerdings käme wieder arktische Kaltluft zu uns. Und da auf Zuflüssen wie Main und Mosel zurzeit Eisgang herrsche, will Hamm nichts ausschließen. „Vielleicht sehen wir bald doch noch von der Rheinuferpromenade aus eine Eisscholle vorbeischwimmen.“

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