Die Geschichte vom Kämpfer, der das Rappen lernte

Robert Kronekker bekam mit 19 die Todesdiagnose: Krebs im Endstadium. Heute ist er 27, ohne Befund und lebt für den Hip-Hop.

Düsseldorf. Das Maschinengewehr nimmt er in den sieben Monaten oft in die Hand. Legt an und ballert drauf los. Tausendmal spielt er im Kopf die Ermordung des bösartigen Tumors durch. In diesem martialischen Bild führt er alle seine Vorstellungen von der Krankheit zusammen und erklärt ihr den Krieg. Angriffslustig, wütend, feindselig — wenn es drauf ankommt, ist Robert Kronekker auch das. Dabei ist der Musiker ein erklärter Anti-Gangster-Rapper. Einer, der Gewaltverherrlichung verachtet und nichts davon hält, auf dicke Hose zu machen.

Hip-Hop und die Krebserkrankung hängen in der Biographie des 27-Jährigen so eng zusammen, dass er auch Jahre später noch erstaunt ist, wenn er feststellt, dass er nicht mehr jeden Tag an die schlimme Zeit denkt.

Damals wurde aus Robert Kronekker der Musiker Leek. Der Name steht für „Leben eines Kämpfers“ und ist Ausdruck eines Lebensmottos, das in seinem Fall identitätsstiftend wirkt. Kronekker ist 19 Jahre alt, hat gerade sein Abitur gemacht, träumt von einer Karriere als Basketballprofi, als er in der Uni-Klinik die erschütternde Diagnose erhält: Lymphknotenkrebs im Endstadium. „In diesem Moment ist meine gesamte Zukunft einfach so an mir vorbeigezogen. Ich habe gedacht: Es ist vorbei, jetzt musst du sterben.“

Das Untersuchungsergebnis kommt kurz vor Heiligabend. Mit der Therapie, sagen die Ärzte, muss er sofort beginnen. Sieben Monate lang fährt er fünf Tage die Woche in die MNR-Klinik zur Chemotherapie. Die Haare fallen aus, die Schleimhäute entzünden sich. „Man kriegt Tabletten gegen die Nebenwirkungen anderer Tabletten. Mein Medikamentenvorrat hatte Apothekenausmaße.“

In dieser Zeit taucht Robert Kronekker tief in den Hip-Hop ein. Er erinnert sich, dass er mit 16 die Rapper Outkast „rauf und runter“ hörte, nachdem ihm ein Freund das Album „Atliens“ geschenkt hatte. „Vorher gab es für mich nur Rockmusik.“ Jetzt aber muss er seine Wut loswerden, seinen Frust darüber, dass es ausgerechnet ihn trifft. „Ich konnte an nichts denken und habe die pure Verzweiflung aufs Blatt gekritzelt.“ Zunächst in Form von Gedichten, später als Tracks. „Ich musste den ganzen Ballast loswerden, und das ging mit Hip-Hop am besten.“

Während die Chemo läuft, komponiert er und schreibt Texte, grübelt seine Sorgen in Musikstücke hinein. Als Kind und Jugendlicher hat Robert Kronekker Keyboard, Saxofon und Blockflöte gelernt, das hilft ihm jetzt.

Schon damals weiß er, dass seine Musik keine geheime Kommandosache bleiben soll. „Ich wollte und will meine Geschichte öffentlich machen, damit andere Kranke wissen, dass es sich lohnt durchzuhalten.“ Damit sie sich nicht unterkriegen lassen von Büchern, wie sie Robert Kronekker gelesen hat. „Da stand drin, die Psyche habe keinen Einfluss auf die Heilung. Ich bin total sauer geworden. Ich wollte ja weiterleben und gerade meine Psyche hat mir geholfen, davon nicht abzulassen.“

Seine Eltern und der Bruder unterstützen ihn, Freunde dagegen ziehen sich zurück. Manche können, andere wollen sich mit seiner Erkrankung nicht auseinandersetzen. Eine bittere Erfahrung, die bis heute nachwirkt. „Mir fällt es nicht leicht, Vertrauen zu fassen.

Das Leben aber, das hat er sich zurückerobert. Mit all der Freude, die es bereithält, den Musikfestivals, durchzechten Nächten und mit Hip-Hop.

Inzwischen hat Robert Kronekker sein viertes Album „Bunter Haufen“ herausgebracht, im April schloss er sein Studium zum Ernährungswissenschaftler ab. Jetzt will er sein ehrenamtliches Engagement intensivieren und Kindern und Jugendlichen Rap-Unterricht erteilen. Die Kontaktaufnahme zu karitativen Einrichtungen läuft gerade.

Seit Ende 2004 war jede Knochenmarkpunktion ohne Befund und kein Tag im Leben von Robert Kronekker ohne Musik. „Das hier ist meine Nachricht an alle, die Hoffnung brauchen: Ich bin ein Rapper, der an Krebs erkrankt ist, und ich stehe immer noch hier.“

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