Ein Jahr nach dem Occupy-Camp

Das Protest-Zeltlager an der Martin-Luther-Kirche ist verschwunden, Occupy aber nach wie vor aktiv. Eine Bestandsaufnahme.

Düsseldorf. Trauer, Wut, Unverständnis — all das fühlten die Occupy-Aktivisten, als ihr Camp vor einem Jahr von Polizei und Ordnungsamt geräumt wurde. „Die Depri-Phase“, nennt Aktivistin Daniela die Tage danach. Viele Monate hatte sie mit anderen Aktivisten neben der Martin-Luther-Kirche gezeltet, diskutiert, protestiert, das System hinterfragt.

Innerhalb weniger Minuten war das Camp Anfang August dann Geschichte. Aber aufhören? Sicher nicht. „Uns war früh klar, dass es weiter gehen würde.“ Aber wie?

Heute, rund zwölf Monate nach der Räumung, trifft Occupy Düsseldorf sich einmal wöchentlich im Innenhof des Oberbilker Niemandslandes, einem Verein zur Förderung sozial-ökologischer Lebenskultur in der Nachbarschaft. 15 Aktivisten sitzen unter einem hölzernen Pavillon, an der Decke steht in bunten Buchstaben „Achtsamkeit + Liebe + Friede“ geschrieben. Hier wird diskutiert, geplant, gestritten. Die Gruppe kommt hier zusammen und führt fort, was an der Luther-Kirche begonnen hatte.

Und ihre Mitglieder finden langsam ihre Aufgabe. „Jeder hat einen Bereich, in dem er sich besonders einsetzt“, sagt Daniela. Denn Occupy — das hat sich schon früh gezeigt — ist mehr als bloße Kritik an der Macht des Kapitals. „Wir sind eine Menschenrechts-Organisation“, sagt Daniela. Die Aktivisten möchten Aufklärung leisten und das Unrecht der Welt aufzeigen.

In Düsseldorf und darüber hinaus setzen sie sich für jene ein, deren Bedürfnisse sie vernachlässigt sehen. Sie fordern bezahlbaren Wohnraum, unterstützen die Baumschutzgruppe, stärken Nachbarschafts-Initiativen, setzen sich für eine fahrradfreundlichere Stadt ein.

Dabei besteht Occupy aus mehr als den zehn bis 25 Aktiven, die sich wöchentlich in Oberbilk treffen. „Es gibt viele passive Helfer, die Flyer gestalten, sie umsonst für uns drucken oder uns finanziell unterstützen“, sagt Daniela.

Gleicht ihre Systemkritik nicht dem Kampf gegen Windmühlen? Hat Occupy überhaupt etwas erreicht in der Stadt? „Durch unser Camp und die Arbeit danach sind wir mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen. Insgesamt haben wir die Menschen sensibilisiert, sie dazu gebracht, Dinge kritisch zu hinterfragen“, meint ein junger Aktivist, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Und Helena, Anfang 20, wäre ohne Occupy wohl noch immer weitgehend unpolitisch. „Ich hab mich vorher gar nicht für Politik interessiert. Ins Camp bin ich nur gegangen, um mit den anderen zu meditieren und spirituelle Lieder zu singen.“ Heute ist Helena bei jedem Treffen dabei. „Es geschieht so viel Unrecht, das kann man nicht einfach hinnehmen. Das Camp hat mich ermutigt, mich gegen Dinge zu stellen.“

Aufklärung leisten, die Menschen aufwecken, ihnen das Unrecht dieser Welt aufzeigen - das sind die Ziele aller Occupy-Aktivisten. Dafür vernetzen sie sich mit anderen Gruppen und Organisationen wie dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, antifaschistischen Protesten und natürlich anderen Occupy-Zusammenschlüssen.

Doch Occupy Düsseldorf, sagen sie, sei in der Region der aktivste Verbund. Kein Wunder, dass Engagierte aus Duisburg, Gelsenkirchen, Neuss und Solingen mit am Tisch sitzen.

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