Eine Lehre mit Augenmaß: OSD-Azubis im rauen Alltag

Als erste Stadt in Deutschland bildet Düsseldorf seine Ordnungshüter selbst aus. Die 14 Lehrlinge lernen die Arbeit mit Junkies und Messies.

Düsseldorf. Als Oliver Philipp die Tür zu der öffentlichen Toilette am Garather S-Bahnhof öffnet, steht für ihn sofort fest, dass da etwas nicht stimmt. Vier Füße in einer Kabine - für den Mann vom Ordnungsdienst ein klarer Fall. Laut klopft er an die Tür: "Öffnen Sie - sofort!" Die Spülung ertönt, erst dann kommen die beiden Männer heraus.

Für Oliver Philipp und seinen Kollegen Jörg Kribbe sieht alles nach einem Drogengeschäft aus. Sie durchsuchen die Männer, geben die Daten der Ausweise an die Polizei durch. Einer der beiden ist vorbestraft, als gewalttätig bekannt. Eine alltägliche und dennoch heikle Situation für die OSD-Mitarbeiter. Am Mittwoch sind sie zu dritt. Ein Stück hinter Kribbe und Philipp steht Sebastian Scholz. Er beobachtet und lernt. Der 24-Jährige ist einer der ersten 14 OSD-Azubis, welche die neue Ausbildung zum "Verwaltungsfachangestellten Differenzierungsbereich öffentliche Ordnung" durchlaufen.

1998 wurde der Ordnungs- und Servicedienst gegründet - mit damals 24 Mitarbeitern. Heute sind es schon 150. "Der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften ist also da", sagt Holger Körber, Leiter des OSD. Bislang war eine abgeschlossene Berufsausbildung - gleich welche - Voraussetzung für die Arbeit in Körbers Truppe. In vier Monaten und 600 Stunden wurden die Ordnungshüter dann für ihren Dienst fit gemacht, weitere anderthalb Jahre eingearbeitet. Seit Oktober gibt es nun die zertifizierte dreijährige Ausbildung, im August beginnt bereits der zweite Jahrgang.

SebastianScholz, OSD-Azubi über seinen ersten Karnevalseinsatz

Für Sebastian Scholz ist die Lehre ideal: "Ein reiner Bürojob käme für mich nicht in Frage." Der 24-Jährige ist der Älteste unter den Azubis. Der Umweg über eine andere Ausbildung und den Lehrgang hätte ihn abgeschreckt. So wird er in knapp zweieinhalb Jahren wohl nahtlos in die OSD-Truppe rutschen - bei der Stadt ziemt es sich, möglichst alle Lehrlinge zu übernehmen.

Bis dahin drückt Sebastian Scholz zwei Tage in der Woche die Schulbank. An den drei übrigen Tagen lernt er die zuweilen rauhe Praxis beim Ordnungsdienst kennen. Von der kann Oliver Philipp ihm ein Lied singen: Vor wenigen Wochen wurde er bei einer harmlosen Kontrolle plötzlich von einem Mann ins Gesicht geschlagen. "Solche Vorfälle nehmen zu", sagt er.

Eine besonders eindrucksvolle Vorschau auf seine Zukunft hat Sebastian Scholz im Februar bei seinem ersten Karnevalseinsatz erlebt. "Es ist eine ganz andere Sicht auf das Treiben", berichtet der 24-Jährige. "Und wenn die Kinder mit Rucksäcken voll Alkohol aus der U-Bahn kommen, erkennt man auch den Sinn dieses Jobs."

Vor den Streifen in Uniform hat der Azubi bereits andere Einsatzgebiete des OSD durchlaufen. Drei Monate war er in der Dienstgruppe PsychKG (kurz für Psychisch-Kranken-Gesetz) eingesetzt, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Jetzt ist in dieser Einheit Azubine Caroline Habeck in Zivil unterwegs. Mit Karlheinz Bergers, der seit der Gründung des Ordnungsdienstes dabei ist, sieht sie bei Messies, Drogenabhängigen und psychisch Kranken danach, ob ein behördliches Einschreiten vonnöten ist.

Die 22-Jährige hat von Sebastian Scholz reichlich über die Dienstgruppe gehört. Und ist an ihrem ersten Tag in Bergers’ Auto aufgeregt. Zu Recht. Bei ihrem ersten Einsatz an diesem Morgen geht es zu einer psychotischen Frau, die sich selbst ein Messer in den Bauch gerammt hat. "Sie war nicht viel älter als ich", sagt Caroline Habeck betroffen.

Jetzt steht sie mit Karlheinz Bergers im Vorgarten eines kleinen Hauses in Lierenfeld, zwischen kaputten Fahrzeugen und Sperrmüllbergen. Über den Zustand des Grundstücks gab es Beschwerden. Karlheinz Bergers klopft an der Tür, stellt sich der jungen Frau, die öffnet, höflich vor. Ob er sich kurz im hinteren Garten umsehen dürfe? Die Frau lässt ihn ein. Zwischen Kaninchen und Hunden spielen die Kinder im Garten, Matschlöcher klaffen im Rasen. Anzeichen auf Ungeziefer gibt es aber nicht. Mit Handschlag lässt sich Bergers schließlich versprechen, dass der Müll im Vorgarten verschwindet - dann verabschiedet er sich lächelnd. "So würden wir vielleicht nicht wohnen wollen", erklärt er Caroline Habeck vor der Gartenpforte. "Aber ordnungsbehördlich ist nichts zu beanstanden."

Längst beschränkt sich der Dienst beim OSD nicht mehr auf die Verwarnung von Kaugummipapier-Wegwerfern. Augenmaß und Sozialkompetenz der neuen Generation von Mitarbeitern sollen ebenso geschult werden wie ihre Kenntnis der Stadtverwaltung. "Die Intensität dieser Ausbildung ist deutlich größer", sagt OSD-Chef Holger Körber.

Und er wirbt für das Konzept. Wenn 2010 der nächste Jahrgang die Ausbildung startet, will Körber weitere Kommunen im Boot haben. "Wir sind Vorreiter, aber wir wünschen uns, dass weitere Städte auf dem gleichen Niveau fahren." Nachbarkommunen hätten bereits reges Interesse bekundet - ob sie für die Ausbildung ihrer Ordnungshüter auch zahlen wollen, muss sich zeigen.

Körber jedenfalls hofft, dass die geregelte Ausbildung auch zu einer breiteren Akzeptanz führt: "Es gibt immer noch Menschen, die sich weigern, uns ihren Ausweis zu zeigen und sagen: Da soll die Polizei kommen. Dabei sind unsere Befugnisse heute fast genauso groß."

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