Erzieher — ein Beruf mit Stressgarantie

Die Arbeit der Kräfte in den Kitas hat sich stark verändert. Neben der U3-Betreuung müssen Dokumentationen und viele Gespräche geführt werden.

Erzieher — ein Beruf mit Stressgarantie
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Marlene und Clara streiten. Yago will seine Schuhe alleine anziehen, Milo keine Jacke anziehen. Für Erzieherin Maria Lamping ist das Alltag. Knapp 20 Kinder betreut sie in der Gerresheimer Kita Sonnenhügel in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes. Geduldig schaut sie Yago dabei zu, wie er in seine Schuhe schlüpft, redet den Mädchen gut zu und überredet Milo, sich für den Anorak zu entscheiden.

Bis alle Kinder für den Ausflug aufs Kita-Gelände bereit sind, vergehen zehn Minuten. „In der Gruppe sind mehrere Kinder, die unter drei Jahren alt sind und ganz andere Bedürfnisse haben als ältere Kinder. Das macht den Alltag der Erzieher natürlich sehr viel schwieriger“, sagt Kita-Leiterin Claudia Basler. Dennoch sind im Schnitt nur eine Erzieherin sowie eine Ergänzungskraft pro Gruppe im Einsatz.

Aber nicht nur die Altersstruktur habe dazu geführt, dass das Berufsprofil des Erziehers sich drastisch verändert hat. „Vieles ist anders geworden: Die Erwartungen der Eltern, die Anforderungen der Gesellschaft, die gesetzlichen Vorgaben“, sagt Basler. „Als ich vor 27 Jahren in dem Beruf anfing, gab es keine Übermittagsbetreuung, die Kinder waren alle vier Jahre alt und trocken, die Mütter waren gar nicht oder nur vormittags berufstätig“, erinnert sie sich. Im Kindergarten seien die Kinder vorwiegend deshalb gewesen, um Freundschaften zu knüpfen, zu basteln oder zu singen. „Gespräche mit den Eltern gab es nur, wenn etwas anlag, ansonsten verständigte man sich zwischen Tür und Angel“, sagt Basler.

Mittlerweile sei die Erwartungshaltung der Eltern eine ganz andere. „In der Zeit, in der die Kinder in der Kita sind, sollen sie an der frischen Luft gewesen sein, in verschiedenen Bereichen gefördert worden sein und das richtige gegessen haben.“ Der Ganztagsbedarf liege in der Kita Sonnenhügel bei fast 100 Prozent. Die meisten Eltern seien berufstätig. Aufgaben, die früher die Eltern übernommen hätten, müsse nun die Kita leisten. „Eltern sind in Sorge, dass sie wegen ihrer Berufstätigkeit bei der Entwicklung ihrer Kinder etwas verpassen und haben deshalb hohe Ansprüche, was die Kita leisten soll“, sagt Basler.

Neben der pädagogischen Arbeit in der Gruppe dokumentieren die Erzieher deshalb jeden Entwicklungsschritt des Kindes. „Für jedes Kind wird fortlaufend dokumentiert, wie seine Motivation ist, Dinge zu erforschen, zu spielen oder Bücher anzusehen“, erläutert Basler.

Ähnliches gilt für die Sprache: In einen 20 Seiten langen Katalog werden die Beobachtungen der Erzieher hinsichtlich Betonung, Wortschatz oder Aussprache eingetragen. In regelmäßigen Treffen mit den Eltern werden die Protokolle dann erläutert. „Die Dokumentation bindet Zeit“, sagt Basler. „Zeit, die in der Gruppe mit den Kindern gebraucht wird. Denn: Bei allen Veränderungen in den vergangenen Jahren ist eins gleich geblieben: der Personalschlüssel.“

Zurzeit sind in der Kita Sonnenhügel alle Erzieher-Stellen besetzt. „Endlich“, sagt Basler. Denn auch sie habe den Fachkräftemangel zu spüren bekommen. „Der Beruf hat an Attraktivität verloren. Es ist die geringe Bezahlung, die viele abschreckt“, sagt sie. Deshalb profitiere auch die DRK-Kita vom Streik der kommunal beschäftigen Erzieher. „Die Forderungen nach besserer Bezahlung sind absolut gerechtfertigt. Bei unseren komplexen Aufgaben dürfen wir uns an den Lehrern messen. Und demnach auch an deren Gehalt.“

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