Festival: Als die HJ Angst vor Prügel hatte

Nach Kölner Vorbild entdeckt das Zakk die „Edelweißpiraten“ wieder, Jugendliche, die einst dem NS-Regime trotzten.

Düsseldorf. "Mucki sucht Hatte, Fate und Itz". Was nach infantiler Kontaktbörse klingt, birgt spannende Geschichte. "Mucki" heißt eigentlich Gertrud Koch, ist Kölnerin, 83 und gehörte in der Nazizeit zu den "Edelweißpiraten". So wie ihre damaligen Düsseldorfer Freunde Hatte, Fate und Itz. Vielleicht sieht man sich am 23. September wieder, wenn das Zakk und Partner erstmals ein Edelweißpiratenfestival in Düsseldorf veranstalten (siehe Kasten).

Betsy de Torres, Eierplätzchenband

Edelweißpiraten, das war seit den 30er-Jahren gleichsam der Oberbegriff für eine Vielzahl von Jugendgruppen im Rheinland, die sich nicht gleichschalten lassen und von der Hitler-Jugend mit ihren uniformen Ritualen so gar nichts wissen wollten. In Düsseldorf, das haben Historiker der Mahn- und Gedenkstätte dokumentiert, trafen sie sich bevorzugt im Volksgarten, Florapark oder in Gerresheim. Den Hellweg sollen die "Piraten" eine Zeit lang so fest im Griff gehabt haben, dass sich die HJ nicht traute, dort aufzumarschieren - denn hier setzte es schon mal kräftig Prügel. Im Norden erlangten die "Kittelbach-Piraten" Bekanntheit.

Unter Historikern ist bisweilen noch strittig, ob man Edelweißpiraten und Co. zum Widerstand gegen das Regime rechnen kann oder ob es sich "bloß" um eine alternative Unterschichten-Subkultur handelte. Jan Krauthäuser, Mitorganisator des Kölner Edelweißpiratenfestivals, hält das für absurd: "Richtig ist, dass die meisten keine Helden sein wollten. Aber sie haben sich aktiv gegen den Naziterror gestellt, zum Teil auch - wie die Weiße Rose - Flugblätter verteilt. Und etliche haben mit Haft und Folter teuer dafür bezahlt."

Die Erinnerung an die Piraten ist in Köln bei weitem lebendiger. Zu den alljährlichen Festivals im Friedenspark in der Südstadt kommen locker 5000 Besucher aus allen Altersschichten. Was sie vor allem anlockt, ist die Musik, wenn um die 20 Bands die alten Lieder der Edelweißpiraten spielen: "Es war in Schanghai", "Hohe Tannen" oder "Wir saßen in Johnnys Spelunke". Lieder, die auch heute noch toll klingen. Die "Eierplätzchenband" aus der Südstadt zum Beispiel würzt die alten Lieder zum Teil mit lateinamerikanischem Sound: "Was uns mit den Edelweißpiraten verbindet, ist die Lust auf Musik", sagt Sängerin Betsy de Torres, "Musik ist eine ideale Form des Widerstandes - gewaltlos in ihrer Art, gewaltig in ihrer Wirkung."

Im September nun zieht Düsseldorf nach. "Die Veranstaltung ist auch ein Geschenk an die Mahn- und Gedenkstätte, die 20 Jahre alt wird", sagt Christine Brinkmann vom Zakk: "Wir haben eine ganze Reihe renommierter Bands und auch Chöre aus Düsseldorf angefragt. Und wir suchen hiesige Zeitzeugen, die von der alternativen Jugendkultur im Dritten Reich erzählen."

Wenn sie gesund ist, will auch "Mucki" Koch kommen. Und nicht nur alte Mitstreiter wiedersehen, sondern auch mit einem Klischee aufräumen - dass die Piraten meist asoziale Prolos waren: "Wir waren ganz adrett gekleidet, liebten die Natur und die Musik."

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