Galerie bietet Kunstwerke für den täglichen Gebrauch

Adeline Morlon eröffnete eine Galerie mit Künstler-Möbeln.

Galerie bietet Kunstwerke für den täglichen Gebrauch
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Kunst einmal anders. Nicht entrückt und zur kontemplativen Andacht gedacht, sondern zum Sitzen und Liegen. Der Philosoph Immanuel Kant sah Bilder und Objekte als Zeichen eines zwecklosen Wohlgefallens. Seitdem stellen die Museen ihre Schilder „Nicht berühren“ praktisch vor jedes dreidimensionale Werk.

Doch es geht auch anders. Die Grafikdesignerin Adeline Morlon bittet seit dem Wochenende in ihre neue Galerie und präsentiert praktische, voll funktionsfähige Möbel von Künstlern, als Lampen, Liegen, Tabletts, Tischchen und Paravents. Ein längst überfälliger Schritt, um die Kunst in den Alltag zu bringen.

Wer am Samstag an der Marienstraße auftauchte, wurde zunächst von Laszlo begrüßt. Der kleine Junge lag wie zum Relaxen in Mamas Liege aus Rattan und Stahl. Nun ist die Mama nicht irgendjemand, sondern die berühmte Biennale-Künstlerin Paloma Varga Weisz, und die Liege stand zuvor im Museum Leverkusen — ohne Laszlo.

In einem Kabinett stapelte Seb Koberstädt gleich 50 Hocker zu einem Turmbau. Die Besonderheit: Er hatte das Holz vom Sperrmüll genommen, mit dem Fräskopf geschliffen, von Hand nachgeschliffen und anschließend mit Leim bestrichen, damit die praktischen Hocker auch abwaschbar sind. Unter jedem Hocker klebt ein Foto vom sonnenverbrannten Rücken des Künstlers.

Wieder in einem anderen Raum quiekte Odilon. Die Einjährige ist aus ihrer Wiede inzwischen herausgewachsen, die der Papa Jens Ullrich so raffiniert mit Hängevorrichtungen geschaffen hat, so dass sie bis zum späteren Gebrauch des nächsten Kindes zusammengeschoben werden kann.

„Ich bin oft irritiert bei Vernissagen, wo man so eine komische Distanz zur Kunst hat. Bei mir kann man endlich alles anfassen. Ich bin selbst überrascht, was Künstler alles schaffen“, sagt Adeline Morlon, die Initiatorin der Schau und der Galerie. Ihr Versuchsballon waren Paletten, wie sie Maler zum Anmischen von Farben benutzen.

Nach dem Tod ihrer Oma erbte sie so eine Palette, die die Oma zu einem Telefontischchen verarbeitet hatte und auf dem sie ihre Telefonnummern kritzelte. Das tun die Künstler nicht. Dietmar Lutz bemalt seinen Palettentisch mit einem griechischen Profil eines schönen Jünglings, Christoph Schellberg mit lauter Kussmündern.

Die Ideen sind toll: Wie wäre es mit einer Tischlampe aus einer Flöte, mit einem Apothekerkästchen als Malerei, einem Paravent als ausziehbarer Malerei oder gar mit einem Möbelstück des Franzosen Jean-Pierre Laporte. Der Onkel von Adeline Morlon schuf all die floralen, erotisch angehauchten Sitzmöbel schon in den 1970er Jahren.

Fachmann Michael Schneider vom Institut für Neue Technische Form in Darmstadt lobt sie als „total überraschend und unerhört authentisch“.

Damit diese Design-Objekte, zu denen auch bemalte Vasen, Kacheln und Schalen gehören, nicht Eintagsfliegen bleiben, hat Adeline Morlon schon die nächsten Künstler im Visier. Dazu gehören auch die Professorinnen Rosemarie Trockel und Katharina Fritsch.

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