Happy Birthday, Tote Hosen!

Die Bürgerschrecks von gestern haben einen beispiellosen Siegeszug angetreten. Jetzt wird die Band 30.

Düsseldorf. Eines der witzigsten Tote-Hosen-Stücke hat gar keine Musik und ist auch kein Lied. Es ist aufgenommen im Jet-Grill in Flingern und heißt auch so. Das Band läuft mit, während die Musiker bei der Bestellung von Pommes, Frikadelle und Eis für ein mittleres Chaos sorgen. Der Mann, der die Bestellung aufnimmt, hat Nerven wie Drahtseile. Alles läuft höflich ab in diesem Song, der gar keiner ist.

Immer wieder sieht man Tote Hosen in der Stadt. Die Heimat ist ihnen wichtig und auch Programm, von der Bühne grüßen sie immer wieder als „Die Toten Hosen aus Düsseldorf“. Am Anfang war es die gewollte Provokation, weil die Stadt ein so schlechtes Image hatte, mittlerweile ist der Spruch ein Gütesiegel. Sie leben hier, treffen Freunde, gehen zu Fortuna. Superstar-Gehabe Fehlanzeige, wenngleich zuweilen die Privatsphäre geschützt werden muss.

Mit mehr als 15 Millionen verkauften Tonträgern ist die Band nach eigenen Angaben die erfolgreichste deutschsprachige Rockband aller Zeiten. Ihre letzte Tournee 2008/09 war mit über 700 000 verkauften Karten ihre erfolgreichste Konzertreise. Zum Abschluss spielte die Band vor insgesamt 70 000 Fans sechs ausverkaufte Weihnachtsshows im Rather Dome.

Am kommenden Dienstag jährt sich das erste Konzert zum 30. Mal und deswegen rocken Campino & Co. zum Geburtstag erneut den Bremer Schlachthof. Da traten sie auf, in Düsseldorf waren sie erst mal gar nicht gefragt. Und weil es sogar offene Ablehnung gab, spielten sie Silvester einmal in einem Jazz-Club in der Altstadt einen Spontan-Gig und dann sogar unter der Oberkasseler Brücke.

Einiges von diesem Gefühl wird jetzt wieder rekultiviert, es geht bis Anfang Mai mit einem kleinen Bus durch die Lande, sogar nach Island und Ungarn. „Wir hatten mehr als 3000 Bewerbungen für 20 Wohnzimmerkonzerte“, sagt Manager Jochen Hülder, „und mussten zwei Leute nur für die Absagen einstellen.“

JKP, Jochens Kleine Plattenfirma, ist das Herzstück im Hosen-Universum. 15 Leute bilden hier die Kerntruppe, bei einer neuen Scheibe oder Tour wird aufgestockt, auf der Konzertreise selbst sind weitere 50 Haudegen von Kikis Kleinem Tourneeservice (KKT) dabei. Im Hosen-Jargon: alles Familie. Rund 60 bis 70 Konzerte wird es dieses Jahr nach den Sommerfestivals wie Rock am Ring geben, nächstes Jahr noch einmal so viel.

„Im Jet Grill“: So etwas landet heute nicht mehr auf einem Album der Toten Hosen, aber die Art und Weise, wie da gesprochen wird, könnte heute ähnlich vonstattengehen. Die CD würde nicht mehr „Kreuzzug ins Glück“ heißen, denn den großen Auszug ins Abenteuer Leben haben die Glückspiraten Campino & Co. ausgiebig gefeiert in ihren ersten Jahren, mit allem spätpubertären Elan, der lange jung hält. „Schönen Gruß, auf Wiedersehn“, in dem ein Elternhaus zerlegt wird, beendet in jedem Konzert den Teil vor den Zugaben.

Der letzte Longplayer dagegen hieß „In aller Stille“ und zeigte einen Totenkopf. Im privaten und im nahen Umfeld der Band hat es einige Todesfälle gegeben, dieses Thema und der Rausch, der alles vergessen lässt, sind oft gegenwärtig, auf Alben (Opium fürs Volk) bis zum Film — Campino trifft den Tod sogar persönlich in Wim Wenders’ Film „Palermo Shooting“. Die Hosen sind eine rechte Oster-Band, Wanderer zwischen Karfreitag und Ostersonntag, Grablegung und Auferstehung, Höllen- und Himmelfahrt. Wenn Campino bei den Konzerten „Nur zu Besuch“ anstimmt, ist es irgendwie ruhig, auch wenn alle mitsingen. Es geht um den Weg auf den Friedhof zum Grab der Mutter.

Die Toten Hosen sind also schon lange angekommen im Erwachsenendasein, sie verdrängen nicht, worüber keiner gerne spricht. Ihr Erfolg geht auch mit der Entlastung einher, gemeinsam und mit gewisser Ernsthaftigkeit die Last des Daseins zu teilen. In ihren Texten geht es oft um Heimat, Liebe, Freunde, um den drohenden Verlust, um Vaterschaft und um Trennung, aber auch um Courage und sowieso immer gerne um Fußball.

Ganz normales Leben also, in Musik und Gesang gegossen, zuweilen auch in Hymnen und klatschbare Gassenhauer. Campino und Andi, der Bassist, werden dieses Jahr 50, und wie beim 40. dürfte Campino auf entsprechende Nachfragen antworten, er habe lange genug Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten.

Wer auf die Hosen-Homepage geht, findet eine deutsche, englische, polnische und spanische Seite. Die Band hat in Europa, Amerika, Asien und Australien die Fähnchen in die Landkarten gesteckt. In Argentinien, wo sie Top-Stars sind, wird im September das 20-jährige Bühnenjubiläum gefeiert.

Bereits 1983 gab es einen Bommerlunder-Rap mit Fab Five Freddy. Die Toten Hosen waren oft ihrer Zeit voraus, sie haben abgeräumt, sie bleiben innovativ — und selbst wenn sie 20 Jahre weitermachen, sollte irgendwer den Fans in nicht allzu ferner Zeit ein Haus einrichten, von einem Hosen-Museum muss ja nicht gleich die Rede sein. Die Ratinger Straße böte sich an. Damit wäre Düsseldorf wirklich ziemlich cool .. .

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