Holpriger Start im Salafisten-Prozess

Laut Anklage sollen vier Komplizen religiöse Morde an Politikern vorbereitet haben.

Holpriger Start im Salafisten-Prozess
Foto: dpa

Düsseldorf. Als Marco G. den Gerichtssaal betritt, ruft er erst einmal „Allahu akbar“ — Gott ist groß. Es gibt kurze Zustimmungsrufe aus einem Teil des Zuschauerraums. Marco G. (27) soll für das gescheiterte Bombenattentat im Bonner Hauptbahnhof Ende 2012 verantwortlich sein. Er ist einer von vier Angeklagten im Alter zwischen 24 und 44 Jahren, gegen die gestern vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess begonnen hat.

Der erste Verhandlungstag ist geprägt von Bekenntnissen der Angeklagten zu Allah und Ablehnungsanträgen gegen die Richter. Die getrennt inhaftierten Angeklagten begrüßen einander herzlich im Saal. Zu den Vorwürfen schweigen sie.

Bonner Bahnhofsbombe: Hauptangeklagtem Marco G. droht Lebenslang
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Für das Verfahren sind bis zum Frühjahr mehr als 50 Sitzungstage anberaumt. Alle vier Männer sollen laut Generalbundesanwalt die Erschießung einer ganzen Reihe von Politikern der rechtsextremen Partei Pro NRW vorbereitet haben, um Vergeltung für das öffentliche Zeigen von Mohammed-Karikaturen zu nehmen. Ihnen drohen lange Haftstrafen, unter anderem wegen versuchten Mordes und Mitgliedschaft in einer Terror-Gruppe. Gegen den Hauptangeklagten könnte bei einer Verurteilung sogar lebenslange Haft verhängt werden.

Bundesanwalt Horst Salzmann spricht von geplanten „Terrorakten gegen die westliche Welt“. Auf einer Liste von 28 Pro NRW-Kandidaten seien neun Opfer rot markiert worden, an erster Stelle der Pro NRW-Vorsitzende aus Leverkusen. Salzmann nennt im Einzelnen Erkundungsfahrten zum Haus des Opfers und die Beschaffung von Waffen und Sprengstoff.

Der Politiker sollte wohl beim Verlassen seines Hauses angegriffen werden. Nur 600 Meter vom geplanten Tatort entfernt nahmen Fahnder zwei Angeklagte gezielt fest, die übrigen wurden in ihren Wohnungen aufgegriffen. Die Ermittler hatten über Wochen Telefone abgehört und die Pläne verfolgt.

Der Angeklagte Enea B. (44) lacht demonstrativ über jeden Punkt der Anklage und lässt mitteilen, er werde mit Richtern nicht sprechen. Er soll aufgrund einer Elite-Ausbildung in der Albanischen Polizei von seinen Komplizen als Schütze bestimmt worden sein.

Die Anwälte der Vier griffen sämtliche fünf Richter mit Befangenheitsanträgen an. „Sie sollten wenigstens warten, bis wir die Dolmetscher vereidigt haben. Sonst kann Ihr Mandant nicht mitverfolgen, was Sie hier in seinem Namen tun“, hält der Vorsitzende Richter Frank Schreiber (Foto: dpa) einem Anwalt vor. Wichtigster Kritikpunkt: Das Gericht habe dem Generalbundesanwalt das Startsignal für eine öffentliche Erklärung zum Prozess gegeben: „Es ist ok, wenn die Bundesanwaltschaft Propaganda macht. Aber das Gericht muss sich anders verhalten“, sagt Anwalt Peter Krieger.

Verteidiger Mutlu Günal erklärt, die Anklage gehe weit über die Ergebnisse des Bundeskriminalamts hinaus. So sei die Bombe von Bonn wohl sogar laut Ermittlern nicht zündfähig gewesen: „Das Verfahren ist geprägt von Pleiten. Wenn bei einem Beschuldigten fünfmal durchsucht wird, weil man jedes Mal etwas vergessen hat, dann verliert man das Vertrauen in die Ermittler.“

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