„Ich weine um mein Land“

Abbas Ibrahim kam vor 50 Jahren aus Ägypten nach Düsseldorf. Den Kontakt zu seiner Großfamilie in Kairo hat er nie verloren.

Düsseldorf. Abbas Ibrahim leidet: „Ich weine um mein Land.“ Auf dem TV-Bildschirm im Wohnzimmer des 72-Jährigen flimmern die aktuellen Bilder des Ägyptischen Fernsehens. „Ich schaue das jeden Tag. Als die Gewalt vor einigen Tagen eskalierte, habe ich sofort zu Hause angerufen und gesagt, dass meine Geschwister ihre Kinder nicht zu den Demonstrationen lassen sollen.“

Zu Hause ist Abbas Ibrahim eigentlich in Lichtenbroich. Vor fast 50 Jahren kam er aus Kairo nach Düsseldorf. Und seit 1978 hat er den deutschen Pass. „Ich bin ein Mann mit zwei Herzen“, sagt der Vorsitzende des Düsseldorfer Ägyptischen Clubs und ergänzt: „Ich bin ein deutscher Ägypter.“ Mit seiner Frau Marika (69), die er auf einer Betriebsfeier in Deutschland kennen lernte, und seinem Sohn Hani Andreas (Tochter Nadja wohnt in Norwegen) lebt er in einem kleinen Reihenhaus in der Nähe des Flughafens.

Und würden da nicht die aktuellen Fernsehbilder mit den arabischen Schriftzeichen untermalt zum permanenten Mittelpunkt der Wohnung werden, kaum etwas deutete bei den Ibrahims sofort auf einen ägyptischen Hintergrund. Sogar der Tee kommt in Beuteln eines deutschen Anbieters auf den Tisch.

Dabei wollte Ibrahim seinem Land eigentlich nie den Rücken kehren. „Ich war glücklich“, sagt er. „Ich habe nie geglaubt, dass ich Ägypten verlassen würde.“ Doch dann geschah dieser Unfall auf der Schadowstraße. Als Maschinenbaustudent wollte er sich seine berufliche Praxis während eines mehrjährigen Praktikums in Deutschland holen. Und das war fast beendet, als der damals 24-Jährige mit seiner Vespa an einer Kreuzung in einen Zusammenstoß verwickelt wurde und schwer stürzte. Der Bruch der Hand musste mindestens ein halbes Jahr ausheilen. „Danach wäre meine Arbeitsstelle, die mir vorher zugesichert worden war, weg gewesen. Es ist ein Schicksal, dass ich hier geblieben bin.“ Dabei schätzte er schnell „Ehrlichkeit und Sauberkeit“ in Deutschland.

Das Schicksal meinte es gut mit ihm, nicht nur weil er später als Ingenieur bei Mannesmann tätig war. In Düsseldorf wurde er zwar nicht mit so vielen Kindern gesegnet, wie es in Ägypten manchmal üblich ist (eine seiner Schwestern hat beispielsweise acht Jungen und Mädchen), doch dafür mit Ämtern: Neben seiner Arbeit als Vorstand im Club ist er Mitglied des DRK-Kreisverbandes, Delegierter der IG Metall, im Vorstand des Bürgervereins Unterrath sowie Nachrücker im Seniorenbeirat, Ausländerbeirat und Migrationsausschuss. Und so liebt er heute seine Heimat zwar immer noch, aber auch seine vielen Verpflichtungen: „Jederzeit würde ich gerne meine Familie besuchen, aber mein Terminkalender ist voll.“

Und schon klingelt wieder das Handy des 72-Jährigen. Ein Freund, der gestern Morgen am Flughafen Düsseldorf aus Ägypten gelandet ist, um vor den Unruhen zu flüchten, steht ständig im Kontakt mit ihm.

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