Interview: „Wir lassen uns nicht erpressen“

Die neue Leiterin Christine Leithäuser über ihre Ziele, Mobbing und eine Amokdrohung.

Düsseldorf. Lange Zeit war die Schulleitung im traditionsreichen Görres-Gymnasium nicht besetzt, am 1. März hat Christine Leithäuser die Stelle angetreten. Sie ist mit 43 Jahre noch recht jung für diese Position und übernimmt ein Haus mit einem besonderen Ruf in der Stadt — das aber in den vergangenen Jahren zunehmend Konkurrenz bekommen hat.

Frau Leithäuser, Sie haben am Görres unruhige Tage hinter sich.

Christine Leithäuser: Das stimmt, wir hatten hier nach Ostern eine Amokdrohung für den 12. Mai, offensichtlich von einem Schüler.

Wie geht man als Schule damit um?

Leithäuser: Wir haben die Polizei alarmiert, sowie alle Eltern und Schüler. Nach Einschätzung der Polizei war die Drohung, die zweimal auf eine Toilettentür gekritzelt wurde, allerdings eher eine Art Hilferuf. Dennoch ist schon die Androhung eines Amoklaufes strafbar. Wir hatten auch am Donnerstag und vorher Polizei im Haus.

Also lief normaler Unterricht?

Leithäuser: Ja, das haben wir mit der Polizei so beschlossen. Es war uns wichtig, uns als Schule nicht erpressen zu lassen. Einige Schüler sind an dem Tag zu Hause geblieben, rund 60 Prozent waren aber da.

Sie wissen aber noch nicht, von wem die Drohung stammt?

Leithäuser: Nein. Der Fall liegt aber bei der Staatsanwaltschaft, die Polizei ermittelt. Ein Beamter hat auch mit Schülervertretern gesprochen und sie gebeten, die Polizei nach ihren Möglichkeiten zu unterstützen.

Haben Sie eine Erklärung für diese Tat?

Leithäuser: Die Schüler stehen heute sehr unter Druck, vor allem seit G8. Es gibt in der Jugend einen Drang, Grenzen zu überschreiten, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das ist natürlich keine Entschuldigung für diese Tat. Manchen Schülern ist nicht bewusst, wenn sie Straftaten begehen, sie denken, sie bewegen sich im rechtsfreien Raum.

Gab es vorher schon Probleme?

Leithäuser: Nicht mehr als an anderen Schulen, glaube ich. Generell nimmt Mobbing durch das Internet, speziell Facebook, zu. Vor kurzem hat ein Schüler eine Schlägerei dort eingestellt, die er wenige Meter von der Schule entfernt gefilmt hatte.

Zwei Mitschüler hatten sich dort verabredet, um sich zu prügeln. Wir haben mit Sanktionen reagiert und waren in allen 9. Klassen, um darüber zu sprechen. Mit einer solchen Reaktion haben viele Schüler offensichtlich nicht gerechnet. Das waren sie nicht gewohnt.

Was werden Sie in Zukunft unternehmen?

Leithäuser: Zum einen haben wir eine Arbeitsgruppe gegründet, die ein Anti-Mobbing-Konzept erarbeitet. Demnächst wird es außerdem eine Podiumsdiskussion zum Thema mit juristisch ausgebildeten Eltern geben und weitere Veranstaltungen.

Das Thema Gewaltfreiheit soll in diesem Zuge ins Schulprogramm aufgenommen werden. Schließlich werden wir daran arbeiten, die Abläufe jedes Schultags effizienter zu gestalten, damit für die Schüler am Nachmittag etwas mehr Freizeit bleibt.

Und darüber hinaus, welche Ideen bringen Sie noch mit ans Görres?

Leithäuser: Ich habe mich an meiner vorherigen Schule um Medienarbeit gekümmert, das will ich hier fortsetzen. Man kann den Unterricht bereichern, etwa durch den Einsatz von Satellitenbildern in Erdkunde, über Power-Point-Präsentationen lernen die Schüler, Themen anschaulich aufzubereiten. Auch die Kommunikation zwischen Lehrern, Eltern und Schülern will ich mit Computern verbessern. Dafür die Infrastruktur zu schaffen, ist eine aufwendige Aufgabe.

Was noch?

Leithäuser: Ich will nicht alles verändern. Das Görres steht für Werteorientierung, Verantwortung und kritisches Hinterfragen, das hat mich angezogen. Diese Dinge wollen wir bewahren, stärken und nach außen darstellen.

Das Görres hatte immer einen besonderen Ruf in der Stadt. Inzwischen sind aber andere Gymnasien stärker nachgefragt.

Leithäuser: Wir haben stabile Anmeldungen und mussten auch Schüler ablehnen. Das Görres ist sicherlich nach wie vor attraktiv. Mit Latein ab der 5. Klasse und Griechisch ziehen wir leistungsorientierte Familien an.

Und was die Schüler neben dem Unterricht machen, ist beeindruckend. Wir haben einen Varieté-Tag auf wahnsinnig hohem Niveau. Seit kurzem gibt es mit „Bewegte Pause“ eine Aktion von älteren für jüngere Schüler und vieles mehr. Es gibt eine große Zahl sozial engagierter Schüler bei uns.

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