Kantholz-Schlag: Wird es je einen Prozess geben?

Noch immer fehlen neutrale Zeugen. Ohne sie stecken die Ermittlungen wohl in einer Sackgasse.

Düsseldorf. Dreieinhalb Wochen ist es her, dass die Kantholz-Attacke an der Straßenbahnhaltestelle „An der Piwipp“ Düsseldorf bundesweit in die Schlagzeilen brachte. Inzwischen hat die Polizei alle Beteiligten und direkten Zeugen vernommen, die Spuren vom Tatort in Unterrath sind untersucht worden. Doch ob es jemals zu einem Prozess um den Tod von Massimo L. (44) kommen wird, ist derzeit mehr als fraglich.

Denn auf die zentrale Frage gibt es bislang keine definitive Antwort: War L. das Opfer einer aggressiven Gruppe Jugendlicher, die ihn in der Bahn anpöbelten und aufforderten, doch mit ihnen auszusteigen, wenn er sich traue — so dass ihn der 17-jährige Hauptverdächtige dann mit dem Kantholz niederstrecken konnte?

Oder war vielmehr L. es, der Streit suchte, drohte, den jungen Männern Angst machte, sie dann auf den Bahnsteig verfolgte, nach dem 17-Jährigen schlug und erst daraufhin den tödlichen Schlag auf den Kopf abbekam?

Die einzige Schilderung des Schlages selbst, die den Ermittlern vorliegt, stammt weiterhin von den drei 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen. Für das Geplänkel im Vorfeld gibt es zwei Versionen: die der Verdächtigen und die der Lebensgefährtin von Massimo L.. Auch nach drei Wochen intensiver Berichterstattung in den Medien hat sich nicht ein einziger weiterer Passagier aus der Straßenbahn gemeldet.

Obwohl Polizei und Staatsanwaltschaft Aufruf um Aufruf gestartet haben. „Wir haben nicht einmal negative Abklärungen vornehmen können“, erklärt Polizeisprecherin Susanna Heusgen und meint damit mögliche Zeugen, die sich zumindest melden, um anzugeben, dass sie nichts mitbekommen haben.

„Vielleicht glauben diese Leute auch: Ich habe ja nichts gesehen, warum soll ich mich da melden?“, mutmaßt Heusgen. „Aber: Die Bewertung, was wichtig ist, übernimmt die Mordkommission.“ Und die, das stellt die Sprecherin klar, brauche nicht unbedingt Augenzeugen. In diesem Fall könne es ausreichen, dass jemand Fetzen des Gesprächs zwischen den Jugendlichen und Massimo L. gehört hat. „Uns fehlt diese Vorgeschichte.“

Es ist eine zentrale Hoffnung bei den Ermittlungen: Eine der beiden Versionen von den Geschehnissen vor dem Schlag stützen oder widerlegen zu können. Denn für den Vorfall selbst wird es wohl keine Zeugen geben — sogar der Bahnfahrer hatte ihn nicht bemerkt und war an dem Abend des 4. Oktober von der Station losgefahren. Sicher sind die Ermittler aber nicht, dass andere Fahrgäste den Streit zuvor in der Bahn gehört haben müssen. Laut Heusgen trennten die Jungen und L. sowie seine Freundin höchstens wenige Meter, es saß niemand mehr zwischen ihnen.

Wenn sich an dieser Beweislage nichts mehr ändert, muss sich der 17-jährige Hauptverdächtige wohl nicht vor Gericht verantworten. Denn bislang kann seine Version, in Notwehr gehandelt zu haben, niemand widerlegen. Und: „Die Beweislast liegt bei uns“, erklärt Andreas Stüve von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. „Wir müssten beweisen, dass es keine Notwehr war.“ Und das ist kompliziert — zumal ohne Zeugen.

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