Ausstellung: Ein Schlüssel für die Gerechtigkeit

Samstag und Sonntag zeigen hiesige Künstler ihre Werke in den Zellen der Ulmer Höh’.

Düsseldorf. Einen Schlüssel gibt es für Vladimir Putin, einen für den syrischen Diktator al-Assad. Bill Gates und Margot Honecker warten noch auf ihr Urteil, ihre Schlüssel hängen neben dem Kasten. Helmut Kohl und Christian Wulff gehören zu den Freigängern, ihre Schlüssel bleiben draußen. Herr dieser Verteilung ist der Düsseldorfer Künstler Ralf Schmidt. Er hat die Räume des ehemaligen Bereichsleiters im leerstehenden Jugendhaus der JVA Ulmer Höh’ bezogen.

Der Schlüsselkasten hängt noch, nur die Zellenbelegung hat Schmidt nach seinen Vorstellungen geändert. „Es geht mir um die Gerechtigkeitsfindung“, sagt er. Einige Schlüsselanhänger sind unbeschriftet, hier können Besucher der Ausstellung „Kunst im Knast“ heute und morgen nach eigenen Maßstäben urteilen und die freien Zellen belegen.

Auf 80 Räume haben sich 58 Düsseldorfer Künstler verteilt. Heute und morgen zeigen sie ihre Werke, danach wird der Strom im ungenutzten Gefängnis abgeschaltet. Einige reizt der ungewöhnliche Ausstellungsort, an dem bis vor kurzem noch Jugendliche inhaftiert waren. Andere spiegeln das Gefängnis in ihren Werken wider und erreichen damit eine noch intensivere Wirkung dieser unwirtlichen Räume und ihrer Geschichte. Obwohl draußen die Sonne hell scheint, kriecht einem die Kälte in dem dicken Gemäuer den Körper hoch. Schließt man eine der offenstehenden Türen von innen, erahnt man das Gefühl vom Eingesperrtsein.

Das Waschbecken in Zelle 209 ist zerschlagen, in der Toilette sind deutliche Spuren hinterlassen. Auch an den Wänden haben sich Jugendliche verewigt. „Got sei mit uns“, „Gedanken Chaos“ und „guter Tip, hört euch mal die böhsen onkelz an“, so lauten Kritzeleien, die Ansgar Maria van Treeck mit opulenten Bilderrahmen eingefasst hat. Eine bürgerliche Verzierung für das, was junge Menschen außerhalb der gesellschaftlichen Konvention zu sagen haben. Ihn habe der Raum traurig gestimmt, sagt van Treeck. „Das waren fast noch Kinder. So etwas prägt, da kämpfen die ihr ganzes Leben mit.“

Neben den Wandzeichnungen sind kleine Aufkleber zu sehen. Einer von ihnen zeigt Johnny Depp als Jack Sparrow. Einer, der als Pirat sich über jedes Gesetz hinwegsetzt.

In der Nachbarzelle stellt van Treeck Fotos aus, die er 1998 im Innern der Ulmer Höh’ aufgenommen hat. Das leere Treppenhaus, die Gitter zwischen den Etagen, die Kapelle mit ihrem warmen Holzboden. In ihrer Formensprache ganz ähnlich erscheinen Fotos, die er in Schloss Gymnich und Augustusburg aufgenommen hat. Menschenleere Räume mit festlich gedeckten Tafeln. Hier erwartete man 1989 den ägyptischen Präsidenten Mubarak. Heute ist er ein Häftling.

Plakativ fällt Jürgen Webers künstlerischer Ausdruck aus: Er hat in der Kapelle eine Wand mit Gitterfenster, Tisch und Stuhl gezimmert und alles in schwarzen und weißen Streifen bemalt. Am Boden liegt eine schwere Eisenkugel mit Kette. Hinter dem vergitterten Fenster schimmert blau und weiß der Himmel. Auf dem Stuhl wird heute eine Frau sitzen, deren Körper mit den gleichen Sträflingsstreifen bemalt sein wird. Auf den Fotos, die Jochen Rolfes von dieser Aktion macht, verschwindet der Mensch in seiner Umgebung.

Wie Fremdkörper in dieser Ansammlung düsterer Assoziationen wirken die kindlich naiven Töpferschilder, die Häftlinge über den Türen hinterlassen haben. Und sie führen dem Besucher klar vor Augen, dass der Ort zwar einen ungewöhnlichen, voyeuristischen Reiz hat, vom Leben der Häftlinge, ihren Nöten und Wünschen nach ihrem Auszug aber nur wenig greifbar ist.

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