Ballett folgt Schumanns Herzklopfen

Premiere: Martin Schläpfer inszeniert „Schumann Tänze“ und kommt diesmal ohne Geheimnis aus.

Düsseldorf. Das Premierenpublikum der Oper erlebt am Samstagabend einen neuen Martin Schläpfer. Er gibt nicht wie sonst den Visionär und psychologischen Tiefenforscher, sondern entwickelt diesmal mit dem Geschick eines leidenschaftlichen Pädagogen ein Tanzstück, das allein dem Takt des bangen Herzklopfens von Robert Schumann folgt. „Ich habe den Mut zu Romantik und Pathos gefunden“, sagt Schläpfer kurz vor der Premiere. Und so dringt der Choreograph und Ballettdirektor nach Schuberts „Forellenquintett“, das er in b.06 auf die Bühne brachte und dem er reichlich Heiterkeit zubilligte, tief in die Romantik ein und zeichnet in seiner Uraufführung „Robert Schumann Tänze, die Rheinische“ die komplexe Dreiecksgeschichte von Clara und Robert Schumann und Johannes Brahms.

In ungeheuer schönen Bildern entfaltet Schläpfer den Konkurrenzkampf der drei Komponisten um die Kunst und demonstriert das Buhlen der Männer um Clara, deren vielschichtige Persönlichkeit der Choreograf auf drei Tänzerinnen verteilt.

Sein neues Werk erzählt mit der Ménage à Trois eine der ältesten Liebesgeschichten der Menschheit, die jedoch nur schwerlich neu zu erfinden ist. „Schumann Tänze“ hält daher kein Geheimnis parat und kommt ohne Offenbarung aus.

Das Stück wird getragen von hervorragenden Tänzern wie Jörg Weinöhl und Marlúcia do Amaral sowie dem ungeheuer einfühlsamen Dirigat einer Catherine Rückwardt, Generalmusikdirektorin in Mainz, die Schläpfer nach Düsseldorf gebeten hat, weil sie, wie er sagt, „die Tänzer spürt“. Und mehr als das, Rückwardt erlöst die „Rheinische“ von ihren bombastischen Fesseln und lässt eine Sinfonie von hingebungsvoller Dramatik aus dem Orchestergraben aufsteigen.

Während Schläpfers Oeuvre unumwunden den Blick auf urmenschliche Gefühlswelten freigibt, bewegen sich die beiden anderen Stücke des dreigeteilten Abends zwischen Andeutung und Chaos. Altmeister Hans van Manen eröffnet die Runde mit seinem großartigen „Compositie“ zur Musik von Morton Feldmann und John Adams, das 1994 uraufgeführt wurde.

Acht Tänzer spielen auf der Klaviatur möglicher Kontaktaufnahmen. Da wird mit dem Alter Ego geflirtet, fordert die Frau den Mann frivol heraus, wird gekämpft, finden Menschen Gefallen aneinander. Van Manen bietet 30 Minuten pure Annäherung, aus der sich sachte ein zarter Akt der Innigkeit herauslöst.

Dem puristischen van Manen, der an diesem Abend den meisten Applaus erhält, folgt das monumentale Werk Regina van Berkels, für das sie rund 40 Tänzer verpflichtet. Ihre Arbeit „Frozen Echo“ („Gefrorener Schall“) führt in die entgrenzte Welt der Surrealisten. Das eindrucksvolle Bühnenbild wird von einer Helix aus alten Computerbildschirmen bestimmt, die sich wie ein riesiges Wirbelsäulenskelett durch den Raum winden.

Und wie die PCs keine Nachrichten mehr abgeben, verzichtet auch van Berkel auf jede Botschaft. Der Zuschauer, so das Credo der Choreografin, ist die einzige interpretatorische Distanz. Mag er sich aus der Viefalt an Bildern das herauspicken, was er in ihnen sehen möchte. Beim Premierenpublikum kam die simple Anforderung an. Es feierte van Berkels Werk euphorisch.

Für Martin Schläpfer gab es an diesem Abend viel Applaus, jedoch auch Buhrufe. Das Düsseldorfer Publikum hat sich an das hohe künstlerische Niveau des Chef-Choreografen der Oper gewöhnt. „Schumann Tänze“ indes ist ein Arbeitssieg, kein herausragendes Oeuvre, aber immer noch eines der besten Ballettwerke auf deutschen Bühnen.

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