Chris Durham: Deutsche Narben im Grünen

Ausstellung: Chris Durham fotografierte 1370 Kilometer an der innerdeutschen Grenze.

Düsseldorf. Chris Durham ist ein Unparteiischer, wenn es um die innerdeutsche Grenze geht, denn er wurde in London geboren. Der ehemalige Schüler von Bernd Becher wollte wissen, was aus der Demarkationslinie zwischen der ehemaligen DDR und der BRD geworden ist. 2004 machte er sich auf den Weg. Jetzt zeigt er die Ergebnisse in der TZR Galerie Kai Brückner.

Er stellte das Stativ mit der Großbildkamera in der Landschaft auf, mal auf Ossi-, mal auf Wessi-Boden. Seine Vorgehensweise: "Ich habe versucht, DDR und BRD im Bild zu zeigen. Als Engländer habe ich mit dieser Problematik nichts zu tun. Ich kann ganz neutral fotografieren." Er entdeckte keinen "eisernen Vorhang", sondern zartes, frisches Grün junger Stämme sowie immer schmaler werdende Spuren des einstigen Ost-West-Konfliktes, die Grenze als "Walderlebnis".

Ehemalige Kolonnen-, ausgediente Lochplatten-Wege und Fundamente alter Grenzanlagen ziehen sich durch das grüne Band der neuen Vegetation. Schon bald erkannte Durham, dass die Linie zwischen den einstigen Zonen oder Staaten langsam zusammenwächst.

Deshalb heißt die Arbeit auch "Die Narbe Deutschlands". Er begann, die 1370 Kilometer zu Fuß zu erwandern, stieß auf Relikte der Vergangenheit, wo früher Gebäude der Volkspolizei oder des Militärs standen, spielen heute Kinder Fußball.

Er merkte aber auch, dass die Natur viel weiter in der Überwindung der Grenze ist als die Menschen, die dort leben. Durham erfuhr: "Wenn man mit den Leuten sprach, wusste man genau, wo sie groß geworden sind. Sie waren pro DDR oder pro BRD."

Auf einer Texttafel in der Ausstellung steht der Satz: "Richtet euch nach vierzig sechzig." Das Zitat stammt von einer Dame, die bei Unterhaltungsveranstaltungen die Musik kontrollierte. Sie musste den DJs immer wieder einbläuen: "Ihr dürft nur 40 Prozent Westmusik und 60Prozent Ostmusik spielen."

Durham ist ein absolut perfekter und ungemein sensibler Fotokünstler. Ein Dokumentarist, dessen Werk zugleich Konzeptkunst ist. In seinen Fotos bildet er nicht nur ab, sondern reflektiert komplexe Beziehungen zu unterschiedlichen Themen.

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