Der Rock’n’Roll lebt und ist 68 Jahre alt

Lemmy Kilmister und Motörhead lärmen vor 6500 Fans.

Der Rock’n’Roll lebt und ist 68 Jahre alt
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Düsseldorf. Der Rock’n’Roll lebt. Wer auch immer behauptet hat, er wäre tot: Er hat gelogen. Um es klarzustellen: Der Rock’n’Roll ist 68 Jahre alt und steht mit Militärhut und schweren Cowboystiefeln in der Halle an der Siegburger Straße. Er mag zuletzt ins Straucheln gekommen sein und hat jetzt sogar einen Defibrillator in der Brust sitzen, der ihm Beine macht, wenn das alte Rockerherz mal stockt. Aber der Rock’n’Roll heißt immer noch Lemmy Kilmister.

Und die Maschine, mit der er sich stoisch und unverwüstlich seinen Weg durch eine Trümmerlandschaft von aufblühenden und wieder vergehenden Trends bahnt, heißt Motörhead. Zugegeben: Am Anfang hakt es ein wenig, dieses Konzert, das zweimal verschoben wurde, weil Lemmy im vergangenen Jahr zusammengebrochen war und seine Lebensgeister erst aus dem Nebel des On-the-road-Lebensstils mit Whiskey und Zigaretten hervorziehen musste. Er, der Unzerstörbare, auf den sich jede Gitarrenband dieser Welt beruft, nuschelt mehr denn je bei seiner Ansage, die man nur erkennt, weil man weiß, wie sie schon immer lautete: „Wir sind Motörhead. Und wir spielen Rock’n’Roll“.

Die ersten Songs sind zäh. Gute 20 Minuten braucht der Motörheadmotor, um Hitze zu entwickeln. Dann aber wird aus dem Tuckern ein Aufheulen. Lemmy bittet den Mann am Mischpult nonchalant, die Regler noch etwas hochzudrehen. Ein paar Dezibel gehen immer.

Und auf einmal - „Rock it“ - sind Motörhead wieder die mächtigste Band der Erde, die sich selber an den Haaren aus dem Sumpf der Trägheit gezogen und jedes Körnchen vom Staub der Beliebigkeit aus den Röhren ihrer irrwitzigen Verstärkerwände gepustet hat. Das Konzert ist jetzt das, was es sein soll: die Messe der lauten Musik. Oben steht „Er“ und predigt von „Doctor Rock“ und „Metropolis“. Unten hören 6500 Menschen begierig zu. Manche schreien sich die Seele aus dem Leib. Viele kommen von weit her, weil Lemmy neben Düsseldorf nur noch drei Messen im Lande liest. Und die meisten tragen Kutte.

Trommler Mickey Dee bollert zunehmend heftiger auf seine Festung von einem Schlagzeug ein und treibt den Puls nach oben, während Phil Campbell die gewaltigen Bass-Riffs seines Chefs mit der Gitarre kontert. „Mögt ihr Rock’n’Roll?“, fragt Lemmy. Deutlich jetzt. Und dann: „Wir tun es! Denn wir sind Motörhead. Und wir spielen Rock’n’Roll!“ Da ist sie also wieder. Jene Magie, die sogar für Mozart unerreicht blieb, weil noch nicht einmal er es schaffte, die Freuden dieser Welt in derart wenigen Worten und drei Akkorden zu erklären.

Und der Tod weiß jetzt, dass er noch warten muss auf den Rock: Der hat nämlich noch jede Menge „Ace Of Spades“, Kreuz-Asse, im Ärmel. Und die spielt er bis zum „Overkill“ gnadenlos aus.

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