Die Heinersdorffs: (K)eine ganz normale Theaterfamilie

Alltag, Theater- und Familienleben unter einen Hut zu bekommen, ist im Hause Heinersdorff nicht ganz so einfach — aber bestens organisiert. Eine Momentaufnahme.

Die Heinersdorffs: (K)eine ganz normale Theaterfamilie
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Die Kleinste, Carla — 16 Monate — krabbelt zwischen Tisch und Sofa, hält die Mama auf Trab. Der mittlere, Oskar — vier Jahre — rennt zwischen Küche und Keller hin und her, will mit dem Vater spielen und freut sich auf seinen Trompeten-Unterricht. Der Älteste, Joël — zehn Jahre, sitzt am Klavier, spielt Bartok, dann Swing und chillt anschließend auf einer Chaiselongue.

Im Hause Heinersdorff geht’s heiter und temperamentvoll zu. Dabei wirken die Eltern entspannt, können sich trotz Geräuschkulisse auf Gespräche konzentrieren. Kaum zu glauben; denn sowohl René Heinersdorff als auch Tanja Schleiff arbeiten fulltime, an mehreren Orten.

Tanja Schleiff steht als Iphigenie auf den Brettern am Gründgens-Platz, muss um 16 Uhr in die Maske. Am nächsten Tag probt sie für eine Premiere („3 D“), Ende Januar im Schauspielhaus. Kürzlich stand sie im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg auf der Bühne. Und dann dreht sie mal eben in Berlin ein paar Szenen fürs Fernsehen.

Er, René, muss nicht nur dafür sorgen, dass sein Theater an der Kö läuft, sondern war bis kurz vor Weihnachten auf Tournee mit seinem Stück „Sei lieb zu meiner Frau“. Und er schreibt noch an dem Ende seines Stückes „Wir sind doch zusammen“, das Ende Februar mit Jochen Busse uraufgeführt werden soll. Das klingt nach Stress.

Wie der Alltag funktioniert? „Alles eine Frage der Organisation“, sagt Tanja. „Oft hilft meine Mutter (Renate Hundertmark, ebenfalls Schauspielerin) aus und reist aus Leipzig an.“ Man müsse das nur zeitig vorbereiten und mit zwei weiteren Babysittern langfristig Termine ausmachen.

Nüchtern meint René Heinersdorff, der gerade noch eine Mail an eine Kollegin schreibt: „Es gehört eine große Portion Naivität dazu, in diesem Beruf drei Kinder großziehen zu wollen.“ Er hätte sich selbst gewarnt. Aber: „Wir haben uns dazu entschieden.“ Joël wohnt sonst bei seiner Mutter Jeannine Burch, Heinersdorffs erster Frau. Joël sieht das praktisch: „Da gibt’s doch mehr Geschenke. Und ich mache mit meiner Mutter tolle Reisen.“

Zurück zum Alltag: In der Woche sind die Kinder bis 15 Uhr versorgt, im Gymnasium, in der Kita oder bei einer Tagesmutter. Danach beginne die „Orga“, so der Vater. Die beiden befinden sich manchmal in einer schwierigen Lage, so am Wochenende. „Dann haben die Kinder die meiste Freizeit und wir wären gerne mit ihnen zusammen. Gerade dann aber laufen für uns die meisten Theatervorstellungen.“

Eine Zwickmühle, die die Familien-Unfreundlichkeit dieses Berufes zeigt. Aber man fände immer eine Nische für die drei fordernden Kinder. „Man wächst in die Verantwortung hinein.“ Tanja gibt zu: „Wenn ich die Kinder beim Babysitter absetze, plagt mich oft genug ein schlechtes Gewissen.“ Erstaunlich, wie das Paar und Joëls Mutter das Patchwork-Leben meistern und manchmal in den Schulferien noch verreisen können.

Wenig Zeit jedoch bleibt für Zweisamkeit. Selten haben Tanja und René die Muße, Heinersdorffs neue Stücke (sein 14. ist in Vorbereitung) in verteilten Rollen zu lesen. Und wenn im Theater an der Kö mal Not am Mann und er gerade unterwegs ist, springt sie als Coach ein, gibt den Schauspielern Tipps. Stichwort Tournee. Wenn Heinersdorff in Cuxhaven oder im Allgäu spielt, kommt er abends nicht nach Hause. Tanja Schleiffs Kommentar: „Tournee ist für ihn wie Klassenfahrt.“

Nur dann habe er, abends nach der Vorstellung, mal Zeit für sich. Und wann er seine Komödien schreibt? „Am liebsten in einer Kneipe oder im Zug, wenn sich Menschen um mich herum bewegen.“ Schreiben sei für ihn eine Form der Selbst-Therapie. Die Stücke seien aber nur schlüssig und zünden, „wenn die Themen mich selber beschäftigen“. Die beiden arbeiten hart.

Doch über das Klischee vom reichen Theaterdirektor, der auf seiner Yacht an der Côte d’Azur dicke Zigarren raucht und Hospitantinnen verführt, kann Heinersdorff nur lachen: „Die Yacht vermisse ich nicht. Ich produziere Stücke und verkaufe sie dann an andere Theater. Nur mit diesen Einnahmen kann ich das Theater mit fünf Festangestellten erhalten.“ Gewinne seien da kaum möglich, zumal die stetig steigende Miete im Parterre der Schadow-Arkaden bezahlt werden muss. Ein Thema, dem der Familienvater und Theaterleiter Heinersdorff nicht entrinnen kann.

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