Die Komödie wagt sich ins Zwielicht

Mit „Diskretion Ehrensache“ hält die Fetisch-Szene Einzug in das Theater an der Steinstraße, ohne ins Peinliche abzustürzen.

Düsseldorf. Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt keinen Skandal an der Steinstraße. Zwar wagt sich die Komödie erstmals in die Szene eines sexuellen Fetischs, doch Regisseur Helmuth Fuschl inszeniert den Schwank „Diskretion Ehrensache“ von Lewis Eastermann annähernd so diskret, wie es der Service-Maxime jenes Fünf-Sterne-Hotels entspricht, wo die Handlung des Stücks verortet ist.

Lack und Leder, Netzstrümpfe, eine schwarze Maske, Halsband und Peitsche bilden die Lust-Requisiten für den Hotelgast Ministerialrat Hofer. Zu ernsthafter Züchtigung kommt es nicht, dafür zu den komischsten Verwicklungen. Die Komödie an der Steinstraße stellt Fingerspitzengefühl unter Beweis und verschont das Publikum vor ordinären Peinlichkeiten.

Nicht das Ausleben des Fetischs steht im Vordergrund, sondern die Fallhöhe des Politikers, dessen anfangs seriöses Auftreten in Anzug und Krawatte und dunkler Hornbrille im grotesken Kontrast steht zur hündischen Haltung in Anwesenheit einer Domina.

Der sexuell motivierte Würdeverlust ist eine gelungene Spiegelung des moralischen Niedergangs. Denn Herr Hofer empfängt in seiner vornehm eingerichteten Hotelsuite nicht nur die Peitsche, sondern auch einen Koffer mit Schmiergeld.

Eine große Handlung gibt es nicht, darum steht und fällt das Ganze mit Tempo und Timing. Dieser Herausforderung ist das Ensemble bestens gewachsen. Allen voran: Kalle Pohl in einer Doppelrolle, die fast dreifache Wandlungsfähigkeit erfordert.

Denn Pohl mimt sowohl den Ministerialrat als auch den Etagenkellner, der zufälligerweise dem Politiker zum Verwechseln ähnlich sieht. So ist er einmal der arrogante Polit-Apparatschik, dann derselbe als devotes Hundchen und schließlich ein kreuzbraver Hotelangestellter, der sich von seinem Direktor herumschubsen lässt. Damit liefert Pohl eine echte Meisterleistung rasanter Verwandlungskunst ab.

Herrlich auch Thorsten Hamer als großspuriger Hoteldirektor, der nach oben buckelt und nach unten tritt. Unter dem hochtrabend und würdevoll immer wieder aufgesagten Leitspruch „Diskretion Ehrensache“ ist er längst verstrickt in die Korruptionsaffäre. Wie ein Gockel stolziert er einher, ist aber nicht zu vornehm, um großzügige Trinkgelder zu ersuchen.

Das i-Tüpfelchen bildet Katrin Filzen (vor einigen Monaten spielte sie das „Fette Schwein“) als Domina, die wie die Jungfrau zum Kinde zu ihrem Job kommt und eigentlich Tierpflegerin ist. Mit österreichisch angehauchtem Tonfall und naivem Lächeln verkörpert sie das glatte Gegenteil einer Meisterin aus der Lederszene. Zusätzlichen Wind bringen Claudia van Veen als junge neugierige Journalistin und Roland Jankowsky als reicher, Bestechungsgeld zahlender Russe Igor Popov ins Geschehen. Ein brillanter Theaterabend mit einem Hauch des Verruchten.

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