Die Rogers: „Wir sind Punk 2013“

Die Düsseldorfer Band hält nichts von den Leitsprüchen alter Punker. Sie meint es ernst mit ihrer Musik.

Düsseldorf. Punk ist kein Spaß. Punk ist eine Weltanschauung. Eine, die extrem von ihren alten Helden lebt. Und denen etwas beizubringen, ist verboten. Schließlich haben sie als Erste Steine gegen das Establishment geschmissen und sich wütend durch Drei-Akkorde-Riffs gewühlt.

Artur begeht also ein Sakrileg, wenn er mit gerade einmal 22 auf die Frage, ob alte Punker von jungen noch etwas lernen können, ohne zu zögern antwortet: „Ja klar: Stillstand ist der Tod!“ Aber Artur, der sich gerade auf dem abgewetzten Sofa im Proberaum in Flingern fläzt, ist eben der Bassist von Rogers. Rogers spielen Punk.

Sie sind jung und haben gerade ihr erstes Album veröffentlicht. Und sie meinen es todernst mit ihrer Musik. Stillstand können sie nicht gebrauchen — wo sie doch gerade eben erst angefangen haben, sich zu bewegen. Rogers haben keinen Bock, auf ihrem Weg nach der alten Punkermaxime „Brüllen, zertrümmern und weg!“ zu handeln. „Wir wollen etwas aufbauen. Uns weiterentwickeln“, sagt Sänger Chri.

Er schreibt die oft melancholischen und nachdenklich-sozialkritischen Texte rund um Isolation, Außenseitertum und Kapitulation vor dem Druck des Alltags. Und mit ihm am Mikro wollen Rogers den Leuten vermitteln, wie sie ihr Leben ohne Gewalt und ohne den der Szene eigenen, ewigen Hass auf Kommerz sinnvoll nutzen und trotzdem Punk bleiben können. Modernes Anti-Wellenreiten könnte man das nennen. Neo-Protest. Zeitgemäßes Revoluzzertum.

„Natürlich wollen wir vor so vielen Leuten wie möglich spielen“, sagt Chri. Warum sollte er sich dafür rechtfertigen? Je größer eine Band, umso mehr Menschen erreichte sie mit ihren Aussagen. Und Rogers — das sei eben kein alles verweigernder Sex-Pistols-Punk. „Wir sind Punk 2013!“

Gegründet hat sich die Band 2006 zu Schulzeiten. Artur und Gitarrist Nico besuchten das Goethe-Gymnasium. Chri und Schlagzeuger Simon waren Freunde. Damals hießen sie noch Notaufnahme. Später dann Jolly Roger. Jolly Roger — das ist der englische Begriff für den Totenkopf auf der Piratenflagge. „Und wir haben auch eine Zeitlang mit diesem Stadtpiraten-Image kokettiert“, gibt Chri zu.

Aber das wurde irgendwann zu albern. Zudem riet ihnen ihr neues Label — das renommierte „People like you“, bei dem schon die Rogers-Proberaumnachbarn Broilers groß rauskamen — zu einem Namenswechsel. Nico: „Jolly Rogers kommt zu häufig vor.“ Also fiel das „Jolly“ weg. Das „Rogers“ blieb. Alles roger(s).

Der Zeitpunkt, als es ernst wurde, liegt übrigens drei Jahren zurück: „Da hatten wir eine erste Tour“, erinnert sich Nico, „und als wir wieder in Düsseldorf waren, fiel uns die Decke auf den Kopf.“ Das sei das untrügliche Zeichen dafür, dass Musik mehr als nur Hobby sei. „Und seitdem wollen wir nicht nur ein bisschen rumzocken“, sagt Chri, „Wir wollen das richtig durchziehen.“

Was auch heißt: Bis auf Simon, der in der Jugendpsychiatrie arbeitet, haben die Bandmitglieder maximal kleine Nebenjobs, um Geld zu verdienen. Kein Studium, keine Ausbildung, keinen Beruf. „Ich kellnere“, sagt Nico. „Und wenn’s eng wird, kellnere ich eben an drei Abenden hintereinander.“

Immerhin: Bis zum Auftritt bei einem kanadischen Festival mit den Punk-Weltstars Rise Against hat es schon gelangt. Bis zum Label-Vertrag auch. Bis zur Freundschaft mit Trini Trimpop, dem ehemaligen Toten-Hosen-Schlagzeuger, der für Rogers eine Art Mentor ist und ihnen viel über die hiesige Punkszene rund um Ratinger Hof beibrachte, ebenfalls.

Und jetzt eben auch bis zu „Flucht nach vorn“, dem Debütalbum, das in der Tat nach vorne geht mit seiner Melodieseligkeit und einem Punk, dem man die — wenn man so will — Düsseldorfigkeit zwischen Hosen und Broilers anhört. „Wir wollen nicht rumschimmeln“, sagt Chri und streicht lächelnd über eine LP von „Flucht nach vorn“. Dann haut er Artur auf seine breite, tätowierte Schulter und ruft: „Wir wollen Gas geben!“

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