"Die Wahrheit" im Theater an der Kö

Im Theater an der Kö ist „Die Wahrheit“ des jungen Franzosen Florian Zeller zu sehen.

Düsseldorf. Michael ist so ein richtiger Draufgänger, gewissenloser Ehebrecher mit einem ausgeprägten Sinn für Selbstgerechtigkeit. Seinen besten Freund besiegt er regelmäßig beim Tennis und spannt ihm überdies die Frau aus, trifft sich heimlich mit ihr in einem drittklassigen Hotel und vertuscht die Liaison vor seiner eigenen Gattin mit den üblichen Ausreden, die ein vielbeschäftigter Managertyp halt so auf Lager hat.

Doch Michaels konventionell gebautes Lügengerüst kommt auf eine Weise ins Wanken, die seine Vorstellung von Weltordnung in Schieflage bringt. „Die Wahrheit“ des 33-jährigen französischen Bühnenautors Florian Zeller ist eine Ehekomödie, die schwungvoll und blitzgescheit mit Ehrlichkeitskonventionen bricht. Nun hatte sie in deutscher Fassung Premiere im Theater an der Kö — mit großem Publikumserfolg.

Das Stück sprüht vor brillanten Dialogen und pikanten Pointen, dass ein Theater daran gar nicht mehr viel falsch machen kann. So ist Hausherr und Regisseur René Heinersdorff fast mehr für diese Entdeckung zu loben als für die Art, wie er sie auf die Bühne bringt.

Die Inszenierung wirkt recht minimalistisch, mehr als das notwendigste Mobiliar, beispielsweise ein Doppelbett, ist nicht zu sehen. Auch die Personenregie birst nicht gerade vor Einfällen. Aber angesichts seiner sprachlichen Eloquenz muss dem Stück durch inszenatorische Finessen auch gar nicht auf die Sprünge geholfen werden. Gleichwohl wirken Personenregie und das Spiel der beiden Paare ein wenig hausbacken. Für die französische Eleganz der Repliken fehlt es im Kö-Theater denn doch an komödiantischer Brillanz und Raffinesse.

Der stärkste Esprit geht noch von Ute Willing aus in der Rolle von Michaels Ehefrau Laura. Sie spielt so nuanciert, dass sie den Zuschauer über das, was die Figur von den Seitensprüngen ihres Mannes wissen mag, in spannungsvoller Unklarheit lässt. Vor allem am Schluss, wenn ihr Mann über die volle Wahrheit im Bilde zu sein scheint, gelingt ihr der Balanceakt, der Lüge noch einmal starkes Gewicht zu verleihen.

Karsten Speck macht als grau melierter, aber noch jugendlich vital auftretender Seitenspringer Michael einen soliden darstellerischen Eindruck. Man nimmt ihm den etwas naiven, ganz ohne Unrechtsbewusstsein auskommenden Macho voll ab. Doch wirkt seine Spielweise zuweilen holzschnittartig und grob gerastert.

Mehr Modulation bringt Martin Armknecht in die etwas kleinere Rolle des betrogenen Freundes Paul ein. Er mimt den arbeitslosen Ex-Finanzrat, dem es gleichgültig zu sein scheint, dass ihm sein Freund und Tennis-Partner die Frau ausspannt, mit der dazu passenden unbekümmerten Schlaffheit.

Aline Hochscheid wirkt als seine Frau und Michaels Gspusi Alice recht unscheinbar. Denn trotz attraktiver Bühnenpräsenz mit langen blonden Haaren gewinnt man von der Figur, die sie spielt, keinen charakteristischen Eindruck. Und dann geht etwas von der Komik verloren.

Dennoch: Der mit allen Wassern lustspielerischer Dramaturgie gewaschene Text des jungen Autors erweist sich als unverwüstlich. Und so endet das Stück mit begeistertem Beifall im Theatersaal.

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