Eine lange Nacht mit Andreas Gursky

Im Ehrenhof trafen sich vorwiegend junge Menschen zu Party, Tanz und Diskussionen.

Düsseldorf. Kurz nach 21 Uhr herrschte am Samstag absolute Ruhe im voll besetzten Robert-Schumann-Saal. Auf der Bühne nahmen im Zweiersofa Düsseldorfs derzeit wichtigster Museumsmann Beat Wismer und der Star des Abends, der Fotokünstler Andreas Gursky, Platz.

Gursky trug wie stets Turnschuhe, Jeans und einen dunklen Pulli. Hinter den Herrschaften flimmerten Riesenformate auf, zu denen sich die Redner immer wieder umdrehten und dann den Gästen den Rücken boten. Beide Persönlichkeiten debattierten so leidenschaftslos, als befänden sie sich auf einem Ärztekongress. Fünf Studentinnen kreuzten nach der einstündigen Debatte daher recht respektlos auf und fragten die Herren, warum sie völlig ohne Emphase gesprochen hätten.

Wismer wie Gursky sind nicht die geborenen Redner, dennoch war es eine kleine Sensation, dass der Fotokünstler seine Geheimnisse in der Herstellung seiner Bilder wenn auch zögernd preisgab. Die meterhohen Bangkok-Bilder seien entstanden, weil über den Fluss Chao Phraya eine Autobahnbrücke führt, mit einem Schlitz in der Mitte, so dass sich das helle Tageslicht im öligen Wasser spiegelt.

Eine „surreale Reflexion“ sei es gewesen, wie da die Sonne aufprallte, während die übrige Wasseroberfläche sehr dunkel erscheint. „Es ist einmalig, dass Gursky seine Bilder erklärt“, beschwichtigte Wismer die jungen Damen nicht ohne Stolz, weil es ihm gelungen war, den Star zum Reden zu bringen. Die Damen ließen sich bekehren und schlenderten zurück in die Masse jener jungen Studenten, die bis in den frühen Sonntag hinein die Räume des Museums Kunstpalast bevölkerten.

1500 Besucher wurden jeweils eingelassen, aus Sicherheitsgründen durften es nicht mehr sein. Der Rest der Kunstfans wartete geduldig, bis die ersten Besucher den Ehrenhof wieder verließen und sie selbst nachrücken konnten. In den Ausstellungsräumen standen 30 Kunststudenten vor Gurskys Bildern und legten sich anders als die Redner auf dem Podium ins Zeug.

Patricia Kretzer sprach von der „ästhetischen Freude“, die ihr das „perfekte Nebeneinander von Mikro- und Makrokosmos“ bereite. Ihre Kollegin Nora Kohler aus dem dritten Semester für Kunstgeschichte ließ sich über den Zerfall von Protonen vor einem Riesentanker-Bild aus. „Ich wusste vorher nichts über all die Apparaturen. Ich musste alles aus dem Internet holen“, erklärte sie den Umstehenden.

Silvia Neysters, Chefin der pädagogischen Abteilung, beobachtete am Rande des Geschehens all die Besucher, die die Nase dicht an die Bildwerke hielten, die sich ungeniert vor den Millionenwerten küssten oder laut ins iPhone quasselten. 1300 Führungen zu Gursky hatte Neysters in den vergangenen Monaten absolviert. Und wenn der Andrang anhält, werden dies nicht die letzten Führungen gewesen sein.

Der Erfolg hält an. Allein an diesem Samstagabend standen die jungen Leute aus den verschiedensten Hochschulen und Akademien immer wieder geduldig Schlange. „Für fünf Euro komme ich sonst nie zu Gursky“, meinte eine angehende Kunsthistorikerin der Heine-Universität. „Und so viel Kurzweil erlebe ich ja sonst nicht beim Bildergucken“, fügte sie hinzu. Sie blieb bis zur Party, die ab Mitternacht im Foyer des Museums tobte und bis drei Uhr morgens dauerte.

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