Ex-Theaterchef Staffan Holm: „Ich werde nie mehr Intendant sein“

Nach seinem Burnout spricht der frühere Theaterchef Staffan Holm über seine Verzweiflung und wie er sie überwand.

Düsseldorf. Entspannt sieht Staffan Holm aus, gelöst. Nach sechs Wochen in einer Klinik in Lappland arbeitet er wieder. Fühlt sich leicht. Seine Zukunftsplanung geht er jedoch behutsam an, er will nichts aufs Spiel setzen.

Herr Holm, wie geht es Ihnen?

Staffan Holm: Sehr gut. Ich hatte in Lappland absolute Ruhe. Ohne Handy, ohne Laptop. Da gab es nichts, nur Tannenwälder. Wenn ich aus dem Fenster blickte, schaute ich auf eine Landschaft ohne Aussicht. Eine Peer-Gynt-Landschaft sozusagen. So weit im Norden war ich nie zuvor.

Ihre Verzweiflung war zuletzt groß. Kaum vorstellbar, dass eine sechswöchige Pause genügt, um neuen Lebensmut zu schöpfen.

Holm: Ich bin nach den sechs Wochen an die Ostsee gefahren und habe mich dort weiter erholt. Dann aber erlebte ich etwas Sonderbares: In der Klinik in Lappland konnte ich eines Nachts nicht schlafen, und es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass es nicht aus Kummer war, sondern weil meine Energie zurückkehrte. Ich lag bis sechs Uhr morgens wach in meinem Bett und war ganz froh.

Sie sind ein erfahrener Intendant. Warum konnten Sie mit der damit verbundenen Last plötzlich nicht mehr umgehen?

Holm: Es hatte nicht nur mit meiner Arbeit zu tun. Ich will nicht zu privat werden, aber meine Mutter war schwer krank, mein Vater starb, und als ich mich in den Ferien ausruhen sollte, brach ich mir den Arm. Hatte Schmerzen, konnte wochenlang nicht schlafen. Irgendwann streikt dann alles in einem, im September 2012 bekam ich die Burnout-Diagnose

Wann wussten Sie selbst, dass es so nicht mehr weitergeht?

Holm: Ich habe gespürt, dass mein Wille nicht mehr da war, dass ich nicht mehr perspektivisch arbeiten konnte. Es war, wie wenn es nur noch darum ginge, von Tag zu Tag zu überleben. Da kriegt man Angst, dass man seine Würde verliert. Für mich war diese Erfahrung ein schwerer Schock. Ich hatte nie zuvor eine Depression und war es gewohnt, meine Spiele zu gewinnen. Faktisch ist Burnout eine Krankheit, aber es fühlt sich an wie eine Niederlage.

Hat Sie die Kritik am Schauspielhaus, an den Inszenierungen, auch an Ihren, getroffen?

Holm: Es ist gut, dass es diese öffentliche Aufmerksamkeit gibt. Denn wir haben es mit einer wachsenden Kulturfeindlichkeit zu tun. Wenn Journalisten Kritik üben, ist das als Phänomen wichtig, persönlich allerdings muss man sich schützen.

Sie haben vor Kollegen und Mitarbeitern offen über Ihre Krankheit gesprochen. Das dürfte Sie viel Kraft gekostet haben.

Holm: Ich habe keine Gefühlspornographie betrieben, aber alles ehrlich erzählt. Dieser Novembertag war am Ende eine große Erleichterung für mich.

Viele Schauspieler und Regisseure sind Ihretwegen nach Düsseldorf gekommen. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?

Holm: Damit habe ich schwer gekämpft. Aber ich darf nicht zu viel Schuld auf mich nehmen.

Wie ist es für Sie, jetzt wieder am Düsseldorfer Schauspielhaus zu sein?

Holm: Ich habe nach Gesprächen mit Freunden und Kollegen erkannt, dass die Arbeit als Regisseur heilend sein kann. Ich gehe jetzt mit sehr leichten Schritten und erwartungsvoll zu den Proben.

Als Intendant zurückzukehren, kommt für Sie nicht infrage?

Holm: Es gibt keine Rückkehr. Man kann nicht als Chef zugeben, eine Depression zu haben und als Chef zurückkehren. Nein, ich werde nie mehr Intendant sein.

Sie inszenieren als freier Regisseur in Düsseldorf zurzeit Peer Gynt. Was kommt danach?

Holm: Es wird zwei weitere Inszenierungen in Düsseldorf und eine in Kopenhagen geben, aber das ist noch geheim. Ich werde nicht zu viel inszenieren und habe bis 2015 bewusst Ruhepausen eingeplant.

Gibt es Angebote aus anderen Häusern?

Holm: Es kommen die ersten Anfragen aus Theatern und Opernhäusern. Dort hat man wohl erst mal abgewartet, was aus mir wird und dann festgestellt: Er ist doch nicht vollständig wahnsinnig.

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