Festival der jungen Talente im Forum Freies Theater

Sieben Gruppen der freien Szene stellen ihr Können bei „Freischwimmer“ unter Beweis.

Die Rohbestandteile der Küche liegen wie Zutaten bereit. Ein Bretterhaufen hier, Kisten dort, alles säuberlich gestapelt. Dann schreiten Joonas Lahtinen und Andreas Wiesbauer im Blaumann zur Tat. 25 Minuten brauchen die beiden, um das Material zusammenzubauen. Aus dem Off werden Gespräche mit Margarete Schütte-Lihotzky eingespielt, die 1926 die praktische „Frankfurter Küche“ — die Mutter alle Einbauküchen — entworfen hatte. Was damals Zeitersparnis bringen sollte, ist heute, ein Metronom zeigt es, zum brutalen Zeittakt geworden.

Wenn Joonas Lahtinen schließlich Kittelschürze und Convenience-Food rausholt, rückt auch die gesellschaftliche Bedeutung von Gender- und Ernährungsfragen in den Blick. Kürzer und treffender lässt sich das moderne Just-in-Time-Leben nicht auf den Punkt bringen. Die Performance-Installation „Ein.Küchen.Bau“ bot gleich am ersten Tag des „Freischwimmer“-Festivals im FFT ein Highlight.

Noch bis Sonntag sind insgesamt sieben Gruppen in Düsseldorf zu sehen, die man mit Fug und Recht als Nachwuchs der freien Szene bezeichnen kann. Anders als „Impulse“ ist „Freischwimmer“ ein produzierendes Festival. Die Ensembles erarbeiten ihre Produktionen an einem der beteiligten Häuser und touren dann durch die Partnerbühnen — nicht ohne neue Verbindungen zu knüpfen. Für die Gruppen ist es ein ideales Sprungbrett. Den Theatern von Düsseldorf über Berlin bis Zürich verhilft es zu neuem Input. So hat das FFT seit 2004 Freischwimmer wie Anna Malunat, Billinger & Schulz oder jetzt Alice Ferl an sich gebunden.

Am ersten Abend konnte neben Joonas Lahtinen vor allem Luise Vogt mit „Ausbrennen“ zum Phänomen des Burnout überzeugen. Fünf Performer sitzen an Tischen rund um eine Spielfläche, die mit Lautsprechern bestückt ist: das „Sonnenschein“-Radio auf Sendung. Mit Liedern über das „Kreativat“ oder die „Netzwerk“-Ideologie besingt das Quintett das Leben im ständigen Verwertungsdruck. Wolfram stellt seine „Antiburnout-App“ vor, Björn sein esoterisches Verweigerungsprojekt „Genug“, King Kong hat seinen Auftritt.

Konzert mischt sich mit Radioshow und Performance und nimmt neben den ständigen privaten Verwertungsstrategien auch Kreativität als Selbstausbeutung in den Blick.

Völlig anders dagegen das dritte Stück des Abends. „Polis 3000: Oratorio“ von Markus & Markus ähnelt einer wütenden AgitProp-Performance zu Glaube und Institutionalisierung. Luthers Antisemitismus wird mit KZ-Bildern verschaltet, die Umsätze katholischer Banken angeprangert, die Missions-Kreuzzüge der Evangelikalen benannt, man erlebt eine Live-Geißelung. So genau die Recherche, so emphatisch und selbstironisch die Performance von Markus Schäfer und Markus Wenzel, letztlich wirkte sie in ihrer Form wie in ihrem moralischen Furor etwas angestaubt — da half auch der Verweis auf Christoph Schlingensief nicht.

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