Großer Auftritt mit Kluge und Kiefer

Anselm Kiefer schlug in der Laudatio für Heine-Preisträger Kluge einen enormen Bogen über Literatur, Physik, Philosophie und Geschichte.

Großer Auftritt mit Kluge und Kiefer
Foto: David Young

Düsseldorf. Ein kluger Kopf, dieser Alexander Kluge. Klar, dass lauter kluge Reden gehalten werden, wenn dieser renommierte Autor und Filmemacher mit dem Heinrich-Heine-Preis ausgezeichnet wird. Zumal der weltberühmte Maler und Bildhauer Anselm Kiefer die Lobrede hielt. Er bringe den nötigen Eigensinn mit, um Kluges Eigensinn ins Bild zu setzen, zitierte Thomas Geisel den Ausgezeichneten. Die Wahl des Laudators durch den Preisträger ist guter Brauch, betonte der Oberbürgermeister, als er dem 82-Jährigen den mit 50 000 Euro dotierten Preis überreichte.

Samstagvormittag im Schauspielhaus, das mit Heine-Freunden, -Förderern und Ehrengästen aus Politik, Kultur und Wirtschaft komplett besetzt war. Anregend, aber auch anstrengend war es, Kluges und Kiefers zahlreichen, tiefschürfenden Gedanken über Kunst, Literatur, Philosophie, Physik und Geschichte zu folgen. Darüber waren sich nach dem 90-Minuten-Festakt die meisten einig. Da verglich Kiefer den gelernten Juristen mit Künstlern wie Duchamps, da auch er mit „objets trouvés“ (gefundenen Objekten) arbeite. „Sie gehen weiter als Heine und Hermann Broch: Sie montieren Bruchstücke der Realität“, erklärt er und nennt Kluge einen Experimentator, der aber auch in mystische Höhen ausschwärme. Der 69-jährige Maler meint, er selber sei von dieser Ästhetik beeinflusst worden.

Die beiden kennen sich auch aus dem Filmstudio, denn Kluge drehte über Kiefer — der für manche heute der bedeutendste deutsche Künstler und der letzte Gigantomane ist. Mit monumentalen Installationen, Objekten und Gemälden, die die Dimensionen mancher Ausstellungshallen rund um den Globus sprengen, ist Kiefer seit Jahrzehnten deutscher Geschichte und deutschem Geistesleben auf der Spur, fasziniert damit, irritiert aber auch.

Kiefer weist darauf hin, dass sie beide den leeren Raum lieben und erinnert an ihre erste TV-Sendung, als sie sich ohne lange Begrüßung sofort an die Arbeit machten. Und vergleicht ihn mit Paul Celan und Ingeborg Bachmann. Und: „Du bist ein ständiger Kritiker meiner Arbeit.“ Dann zeigte Kluge einige seiner bekannten 60-Sekunden-Filme. Darunter die urkomische Hommage an Heinrich Heines „Wintermärchen“ mit Helge Schneider. Auf die Frage „Was wäre gewesen, wenn Varus die Schlacht 9 nach Christus gewonnen hätte und wir alle Römer geworden wären?“, schmunzelt Kluge, der seine Filme ansagte: „Dann wäre uns manch’ teutonischer Stuss erspart geblieben.“

Dass Kluge Kunst nicht zum Selbstzweck betreibt, spürt man, wenn er Verbindungslinien zieht zwischen Musik und Geschichte, Heine als „eingefleischten Weltbürger und Liebhaber zweier Länder über den Rhein hinweg“ bezeichnet und mit einem kritischen Seitenblick auf die aktuelle Lage in der Ukraine seine Rede abrundet. Eigensinn und Minimalismus spiegelte das musikalische Programm: Pianist Tobias Koch spielte unter anderem Richard Wagners „Ankunft bei den schwarzen Schwänen“. Kluge freut sich: „Wie schön ist Wagner ohne ein 126-Mann-starkes Orchester!“

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