Ingo Toben: Theater ohne Drehbuch

Der Düsseldorfer Theater- und Filmregisseur arbeitet seit vier Jahren ausschließlich mit Jugendlichen.

Düsseldorf. Die Kraft, mit der Werner Schroeter seinen Platz als Regisseur zu besetzen wusste, hat Ingo Toben von Anfang an imponiert. Dass der große Film- und Theaterregisseur keinen Unterschied machte zwischen seiner Arbeit und seinem Privatleben. Dass er die Schauspieler auf Anhieb entfachte und bei der Entwicklung seiner Inszenierungen auf künstlerische Konventionen pfiff. Als Werner Schroeter Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre am Düsseldorfer Schauspielhaus inszenierte, arbeitete Ingo Toben bei ihm als Assistent, neben seinem Studium. „Eine wichtige Begegnung“, sagt Toben. Eine, die ihn lehrte, unbeirrt den direkten Kontakt zu den Dingen zu suchen, zum Stück und zu den Schauspielern.

Wie Schröter und Frank Castorf auch hat Toben nie Regiearbeit studiert. „Virtuosität interessiert mich nicht, sondern Beziehungen.“ Nach dem Examen in Medienwissenschaften und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität war er am Landestheater in Neuss und am Wuppertaler Schauspielhaus tätig, arbeitete am FFT und erhielt im Jahr 2003 den Förderpreis der Stadt Düsseldorf.

Das alles kommt dem heute 44-Jährigen sehr weit weg vor, denn von der Theaterarbeit in vorgegebenen Strukturen hat er sich schon vor langer Zeit gelöst. Heute arbeitet er ausschließlich mit Jugendlichen. Ohne Drehbuch, nur mit Improvisationen und, wie er sagt, „sehr dokumentarisch“.

Zurzeit etwa verbringt er jeden Tag an der Hauptschule Bernburger Straße in Eller, wo sich 60 Jugendliche im Sommercamp befinden. Zwei Wochen lang beschäftigen sie sich mit dem Thema Arbeit als Vorbereitung für Tobens neues Stück „The Magic of believing“, das im November im FFT Premiere hat.

Jugendliche rücken als Schauspieler und Partner in Tobens Fokus, als die Stadt Düsseldorf vor neun Jahren das Programm Jugend, Kultur, Schule startet. Damals entwickelt er ein Filmprojekt mit einer Förderschule. 2007 beschließen Toben und sein Team, künftig nur noch mit Jugendlichen zu arbeiten. Auslöser für diese Entscheidung ist die musikalische Filmcollage „Kleine Brüder“ nach Motiven des französischen Regisseurs Jacques Doillon. „Ich habe damals gemerkt, dass es mir mit Jugendlichen besser gelingt, mich auszudrücken. Man fühlt sich freier.“

Die jungen Darsteller kommen von Haupt-, Real- oder Gesamtschulen, nie sind Gymnasiasten darunter. „Ich lebe in einer Großstadt“, sagt der Regisseur. „Mich interessiert das Fremde, das Shisha-Café in Oberbilk und das Kind mit dem schwierigen sozialen Umfeld.“ Die Schüler mit langjähriger Theater-AG-Erfahrung und Konzept im Kopf interessieren ihn „nicht so sehr“.

Toben findet es „sinnvoll, Menschen mit künstlerischer Begabung zu fördern, die sonst nie gefördert würden“. Vielleicht, meint er, sei das nah dran an der verpönten Gutmenschendenke. „Aber wir Künstler verändern uns auch, unser Tun gewinnt eine neue Bedeutsamkeit. Als Regisseur an einem festen Haus macht man Entertainment. Das hat mich irgendwann genervt.“

Dass sich die Jugendlichen trotz Tobens freiheitlichem Verständnis von Theaterarbeit an bestimmte Regeln halten müssen, versteht sich von selbst. „Ich erwarte Respekt vor meiner Arbeit.“

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