Johanneskirche: Klangkulisse mit drängender Dramatik

Viel Beifall für Bachs Matthäuspassion in der ausverkauften Johanneskirche.

Düsseldorf. Sie ist das Opus magnum für die Karwoche, Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion. Die Leidensgeschichte Christi erfährt hier eine musikalische Überhöhung, die noch heute, rund 300 Jahre nach Bach, die Gemüter bewegt.

Der tiefe Ernst, verbunden mit starker Emotionalität, kompositorischem Fantasiereichtum und lyrisch-dramatischer Eloquenz bleibt ein Faszinosum in der Musikwelt. Wenn nun ein Chor mit Bach-Tradition wie die Johannes-Kantorei die Matthäuspassion in der Johanneskirche aufführt, ist der Besucherandrang groß.

Das Konzert am Karfreitag ist restlos ausverkauft, mancher steht mit einem Schildchen „Suche Karte“ vor der Kirche. Kantor Wolfgang Abendroth kombiniert seinen großen Kirchenchor mit einem Kammerorchester, das er selbst mit Instrumentalisten aus aller Welt zusammenstellte.

Seit mehreren Jahren kommt das sogenannte Chamber-Jam-Orchester in der österlichen Zeit nach Düsseldorf, um von Karfreitag bis Ostermontag zu musizieren — vom Oratorium über Kammermusik bis zu leichteren Genres.

Das durchaus agil und ausdrucksvoll spielende Orchester mischt sich ausgezeichnet mit dem hinter ihm positionierten und klangdichten Chor sowie dem von Justine Wanat glänzend präparierten Düsseldorfer Mädchen- und Jungenchor. Letzterer singt wiederum von den Treppenstufen der linksseitig angebrachten Kanzel aus.

Für Orchestereinleitung und Eingangschor wählt der Kantor ein straffes Tempo, wie viele seiner Kollegen. Indes geht in solchem Schwung immer etwas von jener Kraft verloren, die sich aus der Ruhe entwickelt. Abendroths zeitweilige Eile bringt auch die ätherische Stelle im zweiten Teil: „Wahrlich, Dieser ist Gottes Sohn gewesen“ etwas um ihre himmlische Größe.

Wer einmal nachhören möchte, wie sich der imaginäre Horizont weiten kann bei einer starken Dehnung dieser Stelle, dem sei die alte Aufnahme mit Karl Richter (Deutsche Grammophon) empfohlen.

Andererseits darf man es einem stilsicheren Kirchenmusiker wie Abendroth freilich nicht als Fehler ankreiden, dass er auf eine solche Romantisierung verzichtet. Aber dieses Beispiel zeigt, dass strikte Werktreue eine Interpretation nicht nur auszeichnen, sondern auch begrenzen kann. Insgesamt gelingt Abendroth eine drängend dramatische Aufführung.

Eindrucksvoll entfalten sich vor allem die Choräle, bei denen sich der Kantor nun doch die Freiheit nimmt, die Tempi dem jeweiligen Textgehalt anzupassen. Von den Gesangssolisten überzeugen vor allem die beiden Damen: Erica Eloff verfügt über einen kraftvoll sirenenhaften Sopran, den sie aber auch sehr sanft einzusetzen vermag. Altistin Dagmar Linde verströmt warmen, samtigen Wohlklang.

Deklamatorisch subtil, stimmlich aber oft an seinen Grenzen: Tenor Henning Klocke als Evangelist. Respektabel bewältigen Bass Sebastian Klein (Jesusworte) sowie Tenor Patricio Arroyo und Bass Rolf A. Schneider ihre Partien.

Nach verklingen des letzen Moll-Akkords herrscht andächtige Stille in der ausverkauften Johanneskirche — gefolgt von einem sich mächtig steigernden Beifall.

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