Katarzyna Kozyra: Das Enfant terrible aus Polen

Katarzyna Kozyra aus Warschau zeigt ihre Persiflagen auf Einladung der Kunstsammlung.

Düsseldorf. Den Eingang ins Schmela-Haus versperrt ein überdimensionierter Knollenpilz. Man sieht ihm schon von Weitem an, dass er ungenießbar ist. Und wer vor der Tür an der Mutter-Ey-Straße 3 steht, vernimmt in den Abendstunden ein permanentes Kriegsgeräusch, als ob in der Nähe Munition explodiert. Künstlerin Katarzyna Kozyra aus Polen liebt derlei schräge Spiele. Wer das Haus betritt, erlebt sein wahres Wunder.

Die Künstlerin aus Warschau, Jahrgang 1963, hat in ihrer Heimat Bildhauerei studiert, lebte aber auch elf Jahre in Wien und München, so dass ihr die west- wie die osteuropäische Kultur geläufig für ihre Persiflagen ist. Der Besucher sollte sich zunächst ins Souterrain begeben. Dort baut die Künstlerin in einer Installation das Budapester Gellertbad nach.

Ohne Rücksicht auf Einverständniserklärungen tauchte sie dort auf und filmte mit versteckter Kamera aus dem Loch einer Tüte heraus. Im Männerbad trug die gertenschlanke Frau einen Kunststoffpenis und klebte sich einen Bart ins Gesicht. Sie wollte wissen, wie selbstverständlich sich nackte Männer im Bad benehmen. Ihre Videos erinnern an römische Heroen.

Sie selbst erklärt ihre Begeisterung für diese Peepshow fast naiv: „Ich stamme aus einem katholischen Land. Für mich war es unglaublich, dass sich Menschen im Bad so natürlich verhalten und zufrieden mit ihrem Körper sind.“ Als die polnische Presse von ihrem verbotenen Mitschnitt erfuhr, hagelte es Proteste. Es sei widerlich, Menschen wehrlos abzulichten.

Die Künstlerin hat außer Kunst auch sechs Jahre lang Gesang studiert, um Opernarien zu singen. Sie serviert sie derart perfekt, dass daraus Videos entstehen — mit ihr selbst und zwei anderen Darstellern. Sie selbst singt und weint, und aus ihren Tränen wachsen im Video Fliegenpilze.

Katarzyna Kozyra pfeift auf vieles. So lässt sie im ersten Stockwerk eine allerliebste Madonna mit einem Sonnenschirm von der Decke baumeln, emporgehoben durch weiße Luftballons. Ansonsten zeigt sie Requisiten aus ihren Filmen. Fein säuberlich liegt da wiederum ein männliches Kunststoffgenital in einer Schachtel.

Er stammt aus einer Videoperformance, bei der sie es sich um den Leib schnürte und eine Kastration simulierte. Nach der Handlung verwandelte sie sich im Film in eine Jungfrau. Kozyra nimmt Themen wie Sex, Gewalt, Rollenklischees auf, hinterfragt sie, zieht sie ins Groteske. Das ist ihre Kunst.

Aber auch die Mechanismen des Kunstmarktes pflegt sie zu thematisieren. Im zweiten Obergeschoss hängen bayerische Latzhöschen und Bubenhemden. Diese Requisiten stammen aus ihrer „Midget Galery“ (deutsch: Zwergengalerie): 2006 tauchte sie mit Kleinwüchsigen in Tracht bei der Berlin-Biennale auf, ließ die Truppe malen und persiflierte so die Macher der Kunstszene, die sich selbst für so groß halten. Kozyra wurde hinausgeworfen — weil sie nicht bezahlt hatte.

Für die Art Basel ging sie geschickter vor, fand einen Sammler, der für sie bürgte, und schuf später auch ein Großgemälde mit all den Heroen, für die die Gäste zur Messe pilgern, mit Beuys und Marina Abramovic und anderen.

Das Enfant terrible ist allerdings nicht nur berüchtigt, sondern wird auch respektiert. 1999 bestückte Katarzyna Kozyra mit ihren Beiträgen den Polnischen Pavillon auf der Biennale in Venedig und erhielt die Ehrenauszeichnung der Jury.

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