Komödie-Chefin Schindler: "Unsere Freiheit endet an der Kasse"

Katrin Schindler leitet die Komödie an der Steinstraße seit gut 100 Tagen. Ein Gespräch über Theater und Publikum.

Komödie-Chefin Schindler: "Unsere Freiheit endet an der Kasse"
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Katrin Schindler leitet die Komödie an der Steinstraße seit gut 100 Tagen. Die WZ sprach mit ihr über Theater und Publikum.

Frau Schindler, Sie sind Berlinerin — Hand aufs Herz, wann sind Ihnen die Düsseldorfer das erste Mal auf die Nerven gegangen?

Katrin Schindler: Bisher gar nicht. Die Düsseldorfer sind neugierig und erwartungsvoll, das gefällt mir gut. Und auch Karneval hat mich nicht erschreckt. Das fand ich sogar sehr spannend.

Spannend?

Schindler: Ja! In der Komödie findet immer Ende Januar „Pänz in de Bütt“ statt. Die habe ich zum ersten Mal miterlebt und fand es unglaublich zu sehen, wie Kinder locker 300 Leute in ihren Bann ziehen. Das sind echte Entertainer. Damit eine solche Veranstaltung stattfinden kann, engagieren sich unglaublich viele Menschen. An ihrem Einsatz kann man ablesen, wie sehr Karneval auch Rückhalt sein kann für ganz unterschiedliche Menschen. So etwas kann ansteckend sein und spricht für das Verhältnis der Beteiligten zu ihrer Stadt. In Berlin fühlt sich niemand auf diese Weise seiner Stadt verbunden.

Was haben Sie als neue Intendantin der Komödie von diesem Lokalpatriotismus?

Schindler: Ein treues Publikum. Es gibt in dieser Stadt tatsächlich ein bildungsbürgerliches Stammpublikum. Das ist nicht selbstverständlich. Die Zuschauer sehen: Das Theater gehört zu unserer Stadt, also auch zu uns. Deswegen haben sie auch keine Hemmungen, mich während der Pause einer Vorstellung anzusprechen. Das gefällt mir.

Worüber können Sie lachen?

Schindler: Oh, das ist schwierig, zumal es ja einen Unterschied gibt zwischen dem privaten und dem geschäftlichen Humor. Also persönlich schätze ich den spitzfindigen Humor, die Situationskomik. Aufgesetzte Fröhlichkeit ist nicht meine Sache.

Bevor Sie herkamen, haben Sie ein Tourneetheater geleitet. Jetzt, da Sie an der Front arbeiten — haben Sie neue Talente bei sich entdeckt?

Schindler: In Berlin hatte ich einen Geschäftsführer im Hintergrund, hier sind mein geschäftlicher Partner Michael Forner und ich alleinverantwortlich. Das spürt man immer dann sehr deutlich, wenn es um die Mitarbeiter geht. Da muss man seinen Führungsstil finden.

Und welchen pflegen Sie?

Schindler: Ich bin jedenfalls nicht der Typ, der Druck ausübt. In einem Privattheater herrscht eh genug Druck. Mir liegt es eher, die Menschen um mich herum zu ermuntern.

Ihr Theater wird nicht subventioniert. Am Boulevardtheater wird ja mit den Schenkelklopfern das Geld verdient. Sie aber wollen das „gehobene Boulevardtheater“, wie Sie einmal sagten, stärken. Wie geht das zusammen?

Schindler: Wir müssen nicht nur das Klischee bedienen — alter Mann, junge Geliebte, eifersüchtige Ehefrau. Das Publikum muss sich von der Inszenierung ernst genommen fühlen. Und das sind gerade die Stoffe des gehobenen Boulevardtheaters. Eben gegenwärtige Stoffe. Wie zuletzt in „Ziemlich beste Freunde“. Das ist kein Schenkelklopfer und war trotzdem bislang unser bestes Stück in dieser Spielzeit.

Das heißt, Sie können und wollen auch mal etwas wagen?

Schindler: Sagen wir mal so, unsere künstlerische Freiheit endet an der Kasse. Große Experimente kann ich mir nicht leisten. Wenn ich das Millionen-Defizit des Schauspielhauses hätte, müsste ich künftig auf einer Parkbank schlafen.

Da braucht es ein gutes Gespür für das richtige Stück. Wie viele Werke lesen Sie denn, um es zu finden?

Schindler: Ich lese pro Jahr 50 bis 70 Komödien.

Ein paar Meter weiter sitzt die Konkurrenz, das Theater an der Kö von René Heinersdorff. Wie setzen Sie sich davon ab?

Schindler: Die Komödie greift auf eine 50-jährige Tradition zurück, die gerade in den letzten zehn Jahren von Helmut Fuschl und Paul Haizmann sehr erfolgreich fortgeführt und aufgewertet wurde mit einem hochkarätigen Unterhaltungsspielplan. Am Theater an der Kö steht Herr Heinersdorff im Zentrum — als Künstler, Autor, Regisseur und Schauspieler. Aber es gibt natürlich bei der Stoffwahl Überschneidungen.

Und beim Publikum?

Schindler (lacht): Da auch. Ich schaue mir ja die Inszenierungen beim Kollegen an und treffe dort Zuschauer, die auch zu uns kommen.

Das beste Zugpferd sind doch wohl nach wie vor die Promis, oder?

Schindler: Ja, ohne Namen geht es nicht. Wenngleich ein bekannter Filmname kein Garant ist für die Qualität am Theater. Ich wünschte, dass die Leute nicht so sehr auf die Namen achteten, sondern auf ein gutes Ensemble.

Kann man ein Boulevardtheater wirtschaftlich führen?

Schindler: Na ja, reich wird man nicht.

Erfolgreiche Kinofilme wie „Ziemlich beste Freunde“ auf die Bühne zu bringen — kann das ein Erfolgsprogramm werden?

Schindler: Es gibt zurzeit eine Flut an Kinofilmen, die als Theaterstück inszeniert werden. Da muss man jedoch vorsichtig sein, der Transfer fürs Theater funktioniert nicht immer.

Ihr Vorgänger, Herr Fuschl, hat gerade zwei Stücke hintereinander inszeniert. Ist das ein vertragliches Arrangement, das Sie „geerbt“ haben?

Schindler: Nein. Die beiden Stücke „Doppelfehler“ und „Kalendergirls“ wollte er gerne machen, das hat er schon vor einem Jahr vorbereitet, als er den Spielplan konzipiert hat. Er wird auch weiterhin an der Komödie regelmäßig Regie führen. Herr Fuschl ist ein sehr erfahrener Regisseur, mit dem viele Künstler sehr gerne zusammenarbeiten. Darüber sind wir sehr froh.

Was werden Sie Neues an der Komödie veranstalten?

Schindler: Wir wollen Lesungen veranstalten und Theater für Kinder. Dabei denken wir an Märchen.

Sie sind sehr viel intensiver in den künstlerischen Prozess eingebunden. Reizt es Sie da nicht, auch einmal ein Stück zu inszenieren?

Schindler: Ich habe ein paar Jahre als Regieassistentin gearbeitet und bin zu dem Entschluss gekommen, nicht als Regisseurin zu arbeiten. Man muss wissen, wo die eigenen Stärken liegen.

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