Blind Guardian „Nach Metal sehen wir nicht aus“

Als Heimspiel bezeichnet die weltweit erfolgreiche Band Blind Guardian aus Krefeld ihr Düsseldorfer Konzert.

Blind Guardian: „Nach Metal sehen wir nicht aus“
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Düsseldorf. Blind Guardian sind die erfolgreichste Metal-Band Deutschlands — und kommen vom Niederrhein: In Krefeld wurden sie geboren. In Krefeld leben sie. In Grefrath betreiben sie ihr Twilight-Hall-Studio in einem alten Bauernhof. Frontmann Hansi Kürsch (48) sprach mit uns über die anstehende Tour und Heimatgefühle.

Herr Kürsch, Sie kommen mit Rollkoffer zum Interview. Darf man fragen wieso?

Hansi Kürsch: Ich bin eben erst mit dem Flieger in Düsseldorf gelandet. Wir waren in Florida und haben als Headliner bei einer Metal-Cruise — einer Schiffskreuzfahrt mit Konzerten an Bord — gespielt. Es ging von Fort Lauderdale nach Jamaika und wieder zurück.

Und jetzt haben Sie eine neue Platte im Gepäck, die Sie auch am 25. April in Düsseldorf präsentieren: „Beyond The Red Mirror“. Es ist das erste Album seit vier Jahren. Warum hat das so lange gedauert?

Kürsch: Wir wollen nicht überpräsent sein. Wir brauchen diese Zeit, um das Beste abzuliefern. Das ist unser Rhythmus. Zudem hört sich das länger an als es ist, denn: Wir machen eine Platte, spielen eine große Tour und Festivals — und ziehen uns wieder zurück, um das nächste Album aufzunehmen. Da sind vier Jahre schnell rum. Und wenn man sich die musikalische Reichhaltigkeit der neuen Songs anhört, dann wird außerdem klar, dass das auch nicht schneller geklappt hätte.

Das neue Album klingt in der Tat sehr opulent, episch, orchestral. Man hört die Arbeit, die reingesteckt wurde. Aber: Verspüren Sie nicht manchmal Lust, einfach drauflos zu rocken?

Kürsch: Nein. Dazu sind wir viel zu sehr Tüftler. Wir wollen uns weiterentwickeln. Wir stehen nach jeder Platte wieder am Nullpunkt und müssen uns neu definieren. Wir halten nichts davon, Sachen nur zu wiederholen. Wenn man das tut, ist man in seinen Möglichkeiten begrenzt. Dabei trotzdem seine Fans mitzunehmen und ihnen Songs zu bieten, die auch live funktionieren, ist eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen. Vor allem natürlich bei einem „Heimspiel“ wie in Düsseldorf. Entsprechend bereiten wir uns über Wochen und Monate darauf vor.

Apropos Fans: Ihre gibt es überall auf der Welt. Aber: Wo sind sie am wildesten?

Kürsch: Das kann man so zwar nicht sagen. Aber: Als wir zuletzt in Sao Paulo auftraten, spielten wir vor 7000 Menschen in einer Halle, in der die Leute so nahe an der Bühne dran waren und so laut mitsangen, dass sie unsere Verstärker-Anlage, salopp gesprochen, platt machten. Wir hörten uns selbst nicht mehr.

International erfolgreiche Bands verortet man normalerweise in der Großstadt. Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Krefeld Ihre Heimat ist. Warum sind Sie dort geblieben?

Kürsch: Es gab nie einen Grund, das zu ändern. Wir sind hier aufgewachsen. Hier gab es schon immer eine kreative Musikszene. Krefeld war immer schon die Stadt, in der viele Metal-Fans leben, während in Düsseldorf seit jeher Punk und elektronische Musik eine große Rolle spielen. Außerdem machen wir Musik, die von Herzen kommt. Und die ist vom Standort unabhängig.

In Internetforen diskutieren Ihre Fans, warum Ihnen noch kein Denkmal in Krefeld gesetzt wurde. Haben Sie eines verdient?

Kürsch: Vielleicht heißt ja irgendwann mal eine Straße hier „Blind-Guardian-Straße“… Aber Scherz beiseite: Wir brauchen kein Denkmal. Nur wundern wir uns manchmal schon, wie wenig wir von den Offiziellen der Stadt wahrgenommen werden. Da fragen wir uns, warum denen nicht klar ist, dass wir Krefeld international stärker repräsentieren als jede andere Institution oder Vereinigung — inklusive etwa des Krefelder EV. Wir haben offenbar keine Chance.

Kommt es denn vor, dass Fans auf Blind-Guardian-Spurensuche in die Stadt kommen?

Kürsch: Ja. Vor allem Fans aus Japan oder Australien haben das schon gemacht und standen in Grefrath vor der Studiotür. Oder sie fuhren raus zur Burg Linn, weil sie wissen, dass die für mich sehr wichtig ist. Ich bin in deren Schatten aufgewachsen, habe da oft gespielt und abgehangen. Und sie hat Blind-Guardian-Songs inspiriert.

Die neue Generation von Metal-Bands trägt keine Kutte mit Aufnähern mehr und hat volltätowierte Sänger mit zig Piercings am Körper. Sie sind dagegen noch alte Schule, oder?

Kürsch: Ich würde es anders sagen: Wir sind die Paradiesvögel des Metal und liefen lange Zeit in unfassbar uncoolen, bunten Klamotten rum. Mittlerweile achten wir da glücklicherweise ein wenig mehr drauf und ziehen uns ähnliche Sachen an, meist in Schwarz. Doch auch wenn bei uns noch zwei Langhaarige spielen — nach Metal sehen wir trotzdem nicht aus. Wir brauchen auch keine Tattoos und Piercings. Die haben wir früher nicht gebraucht. Und die brauchen wir heute, mit Ende 40, erst recht nicht mehr. Wir haben unseren eigenen Stil und unseren eigenen Kopf. Und das hat wiederum mit dem Naturell des Niederrheiners zu tun.

Wie ist es denn, dieses Naturell?

Kürsch: Der Niederrheiner ist sehr eigen. Er hat einen extrem schwarzen Humor, den man anderswo nicht häufig findet. Deshalb erkennen und verstehen sich Krefelder auch immer und überall, wenn sie sich treffen.

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